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News: Clevere Membran

Manchmal sind die einfachsten Ideen die besten: Etwa die künstliche Membran zur schnellen und kostengünstigen Medikamentenaufreinigung, die sich am Vorbild von Mutter Natur orientiert und die gewünschten Moleküle gezielt in winzigen Röhrchen einfängt.
Momentan können Medikamentenhersteller auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Verfahren zur Gewinnung von Pharmaka zurückgreifen. Besonders verbreitet ist es, andere die Arbeit machen zu lassen und nur noch die Ernte einzufahren. So wachsen in unzähligen Laborflaschen Bakterien als Medikamentenlieferanten heran, die den gewünschten Stoff jedoch nur in einer Mixtur mit hunderten unerwünschter und potentiell gefährlichen Molekülen liefern.

Um die Heilsbringer anschließend ernten zu können, muss die Mischung in ihre einzelnen Bestandteile aufgetrennt werden. Eine beliebte Methode hierbei ist die so genannte Chromatographie, die das flüssige Sammelsurium anhand spezieller Sinkgeschwindigkeiten auftrennt. Doch der Prozess ist teuer und eignet sich nur begrenzt zur Aufreinigung im Großmaßstab.

Da war guter Rat teuer, und so guckten die Forscher erstmal bei Mutter Natur nach, ob die nicht bereits eine Lösung für dieses Problem ausgetüftelt hatte. Und tatsächlich gab es mit der Zellmembran – die als Barriere, aber auch als aktives Transportsystem arbeitet – schon ein gut funktionierendes Vorbild. Denn hier fischen in der Membran fest verankerte Proteine bestimmte Moleküle aus dem Medium heraus und transportieren sie über winzige Kanäle auf die andere Seite.

Und genau diese Kombination aus selektivem Fischen und winzigen Röhren kopierten finnische und amerikanische Forscher in einem Gemeinschaftsprojekt. Die Chemiker der University of Florida und des finnischen Unternehmens VTT Biotechnology entwarfen zuerst einen Antikörper, der auf das gesuchte Medikament passt wie der sprichwörtliche Deckel auf den Topf. In diesem speziellen Fall kreierten die Forscher ein passendes Gegenstück für ein Anti-Tumormedikament, das momentan in klinischen Studien auf Herz und Nieren geprüft wird.

Um den Schwierigkeitsgrad noch zu erhöhen und die Suche nach dem Wunschstoff zu erschweren, kommen die meisten Medikamente in zwei zum verwechseln ähnlichen Erscheinungen daher. Man spricht hierbei von Enantiomeren, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen, aber trotzdem nicht deckungsgleich sind – genauso wie unsere rechte und linke Hand. Zu allem Übel ist das Spiegelbild des Medikaments oft gefährlich und muss deshalb aus dem Mix entfernt werden.

Um dies gewährleisten zu können, arbeitete das Team mit einem zweiten Kniff: Sie zwängten die als Lockstoffe generierten Antikörper in winzigste Röhrchen, die einen Durchmesser von lediglich 15 bis 20 Nanometer aufweisen. Als Experte auf dem Gebiet der engen Röhren gilt Charles Martin von der University of Florida. Er hat ein Verfahren entwickelt, mit dem er den Durchmesser der Tuben beliebig verändern und Millionen der Winzlinge nebeneinander aufreihen kann. Zellen nutzen ähnliche kleine Tuben, wie Martin beschreibt: "Die Nanoröhre ist wichtig, weil Mutter Natur eine ganze Menge ihrer Arbeit mit Transportproteinen in dieser Form erledigt."

Nun mussten die Forscher eine "ruhige Hand" bewahren, als sie die fünf Nanometer kleinen Antikörper in die Nanoröhren quetschten. Sie befestigten die Köder innerhalb der Röhren und mussten anschließend nur noch die Flüssigkeit samt Wunschkandidat über die künstliche Membran ausgießen. In Testversuchen fackelte die Nanomembran nicht lange. Die Antikörper klinkten sich in die gewünschten Medikamente ein und zogen sie flugs in die Röhre. Trickigerweise fließt das Molekül fünfmal schneller durch die Membran als sein spiegelbildliches Enantiomer. So ist das passende Medikament schon durchgeschlüpft, während der unerwünschte Partner noch auf Einlass wartet – eine Trennung der Mischung ist also nur noch eine Frage der Zeit.

Um diese Technik für die Industrie und den Großeinsatz interessant zu machen, müssen allerdings sowohl die Durchflussrate als auch die Geschwindigkeit quer durch die Membran noch um einiges zunehmen. Ein realistischer Zeitraum zur breiten Eroberung der Pharmalabore dürfte fünf bis zehn Jahre betragen. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden, auch wenn es für den kommerziellen Gebrauch noch etwas früh ist.

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