Carbon Capture: »Ich habe noch viel Hoffnung in die Innovationskraft der Menschheit«

Das von der Menschheit ausgestoßene Kohlenstoffdioxid (CO₂) treibt den Klimawandel an. Um diesen einzudämmen, braucht es mehr als reduzierte Emissionen: Mit CCS genannten Verfahren (englisch: carbon capture and storage) soll CO2 in großen Mengen gefangen und dauerhaft eingelagert werden. Einige der Strategien setzen auf Basaltgestein, das in Europa vorwiegend unterhalb des Meeresgrunds liegt. Wie gut es sich zur Speicherung von CO2 eignen könnte, ermittelt das internationale Forschungsprojekt PERBAS, an dem das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel beteiligt ist. GEOMAR-Wissenschaftler Ingo Klaucke und Jörg Bialas untersuchen die Basaltvorkommen in der Nordsee. Bei einem Gespräch Mitte Oktober 2025 berichten sie von ihrer Forschungsexpedition.
Herr Klaucke, während wir sprechen, befinden Sie sich gerade auf hoher See, hunderte Kilometer vor der Küste Norwegens. Dort untersuchen Sie Gestein, das eine wichtige Rolle im Klimaschutz spielen könnte. Warum?
Klaucke: Wir wollen herausfinden, ob die Gesteine, die hier unter dem Meeresboden liegen, als Speicher für Kohlenstoffdioxid zu gebrauchen sind. Das heißt: Wie viel CO₂ können wir in diesen Gesteinsschichten speichern? Und kann es dort auch langfristig und klimasicher gebunden werden?
Sie untersuchen ein spezielles Gestein?
Klaucke: Ja, sogenannte Flutbasalte. Sie liegen hunderte Meter unter dem üblichen Sedimentgestein und bestehen aus Lava, die sich in großen Mengen, also flutartig, aus dem Erdinnern ergoss und abkühlte.
Was ist an den Flussbasalten so besonders?
Klaucke: Als das Vulkangestein abkühlte, konnte das Gas in den oberen Bereichen der Lavaströme sehr gut entweichen. Dadurch wurden blasenartige Hohlräume geschaffen. Diese Poren sind besonders spannend.
Herr Bialas, Sie sind aus Kiel zugeschaltet. Sie koordinieren das PERBAS-Projekt, unter dessen Schirm die Forschungsexpedition stattfindet. Diese soll zeigen, wie sich CO2 in Basalt einlagern lässt. Weshalb sind die Poren der Basaltgesteine entscheidend dafür?
Bialas: Wir brauchen die Porosität des Gesteins. Die Hohlräume sind letztlich die Speichermedien für das eingelagerte Gas.
Was passiert mit dem Gas, wenn es in dem Gestein verpresst wurde?
Bialas: Es findet eine chemische Reaktion statt. Das Lavagestein ist so zusammengesetzt, dass es mit dem Kohlenstoffdioxid reagiert. Der Kohlenstoff löst sich aus dem CO2 und wandelt sich in Karbonat um. Dieses Mineral ist dann als Feststoff in dem Porenraum eingelagert und dauerhaft eingeschlossen.
Das klingt endgültig. Kann das CO2 wieder entweichen und zur Oberfläche zurückkehren?
Klaucke: Nein, die Mineralisierung des CO2 ist geologisch gesehen stabil. Da tut sich danach nichts mehr.
Wo genau befindet sich gerade Ihr Forschungsschiff, Herr Klaucke?
Klaucke: Wir befinden uns etwa auf 67° 20' Nord und 3° 30' Ost, also nördlich vom Polarkreis, nordwestlich von Trondheim. Wir sind etwa 24 Stunden Fahrt mit zehn Knoten vom Hafen von Trondheim entfernt.
Wieso muss diese Mission und später die Einlagerung in das Gestein weit draußen vor der Küste stattfinden?
Klaucke: Die Flutbasalte entstanden, als sich die Kontinentalplatten zu trennen begannen, also in einer Phase intensiver geologischer Aktivität. In den entstehenden Öffnungen des Nordatlantiks traten gewaltige Mengen basaltischer Lava aus dem Erdinneren aus und lagerten sich in mächtigen Schichten ab. Diese Ablagerungen sind vor allem entlang der Kontinentalränder zu finden: weit von der Küste entfernt. Es gibt aber in Indien oder Sibirien zum Beispiel auch ausgedehnte Flutbasalte an Land.
Sie ermitteln also vor Ort, wie gut diese Flutbasalte am europäischen Kontinentalrand geeignet sind. Herr Bialas, welche Untersuchungen gehen solch einer Forschungsfahrt voraus?
Bialas: In diesem Gebiet gibt es 23 wissenschaftliche Bohrungen, die bis in die Basaltkruste hineinreichen. Mit den daraus genommenen Proben ließen sich bereits die chemische Zusammensetzung und Dichte der Schichten bestimmen. Jedoch nur an exakt den Punkten der Bohrungen. Mit geophysikalischen Methoden überprüfen wir jetzt, wie sich die erstarrten Lavaflüsse über den Ozeanboden verteilt haben.
Wie gehen Sie dabei vor, welche Messmethoden verwenden Sie?
Klaucke: Wir arbeiten hauptsächlich mit seismischen und elektromagnetischen Messungen. Einerseits arbeiten wir mit Druckwellen. Dabei zeichnen wir auf, wie schnell und in welche Richtung sich die Wellen im Ozeanboden ausbreiten. Aus den reflektierten Schallsignalen lassen sich die Struktur und die Zusammensetzung des Untergrunds abbilden. Andererseits senden wir ein elektrisches Signal durch den Boden und messen den elektrischen Impuls. Genauer ermitteln wir, wie schnell dieser sich fortbewegt und wie stark er zeitlich abklingt.
Und das ermöglicht Rückschlüsse auf den Untergrund?
Klaucke: Durch die Messungen können wir bestimmen, wie leitfähig der Ozeanboden ist. Die Leitfähigkeit gibt uns Aufschlüsse über die Porosität der Schichten. Denn Basaltgestein, das von Poren durchzogen und mit Seewasser gefüllt ist, ist deutlich leitfähiger als kompaktes, massives Gestein. Im Idealfall haben wir am Ende ein dreidimensionales Bild über die Beschaffenheit des Ozeanbodens mit physikalischen Parametern, die wir dann für weitergehende Modellierungen nutzen können.
Und das alles durch diese zwei Messmethoden?
Bialas: Ganz so einfach ist es leider nicht. Die Gesteinsschichten sind oft nur wenige Meter mächtig. Es sind also recht flache Lavaschichten, die zu Hunderten übereinandergelagert sind. Mit unseren Methoden können wir diese Schichten nicht explizit auflösen. Dafür sind die Signalfrequenzen, mit denen wir arbeiten, zu klein. Bei sehr guten Bedingungen können wir bis zu fünf Meter dünne Gesteinsschichten erkennen. Aus den Messungen auf hoher See können wir lediglich Schichtpakete ableiten, die es später zu interpretieren gilt. Das passiert dann mithilfe von Simulationstechniken. Dafür verwenden wir sowohl die feinen Informationen aus den Bohrlöchern als auch die groben Datenaufnahmen der Expedition.
Auf welche Schwierigkeiten stoßen Sie bei den Messungen, Herr Klaucke?
Klaucke: Die größte Hürde ist das Wetter. Die kommenden Tage soll es sehr stürmisch werden. Wir sprechen hier von drei bis vier Meter hohen Wellen, das ist nicht wirklich angenehm und für unsere Messungen besonders schlecht. Bei diesen Bedingungen ist unser Messsystem nicht einsetzbar. Aber bisher hatten wir Glück. Die Messungen funktionierten gut, und wir haben schon einige Daten gespeichert.
Schließlich steht die Einlagerung von CO2 noch vor technischen Problemen. Welche erwarten Sie bei der Verpressung des Gases in die Basaltgesteine?
Klaucke: Das ist noch mal etwas ganz anderes. Gerade wenn man die dünnen Basaltschichten und ihre tiefe Lage bedenkt, kommen noch Fragen der Umsetzung auf. Doch auch dafür werden sich Lösungen finden. Das hat die Menschheit bei der Bohrung nach Öl schließlich ebenfalls geschafft.
»Basaltgestein ist besser geeignet als gasförmige oder, noch kritischer, flüssige Speicher«
Um mal eine Vorstellung von dem nötigen Aufwand zu erhalten: In welcher Tiefe liegen denn die Flutbasalte, Herr Klaucke?
Klaucke: Wir kratzen dort nur an der obersten Grenze des Gesteins. Wir haben hier vor Ort etwa eine Wassertiefe von 1200 Metern, nach weiteren 300 bis 400 Metern beginnen die Flutbasalte, und diese erstrecken sich hunderte bis tausende Meter in die Tiefe.
So tief können wir aber kein CO2 einlagern, oder?
Klaucke: Mit unseren derzeitigen Mitteln wäre es möglich, das CO2 bereits bis zu 100 Meter in das Gestein zu bringen.
»Carbon capture and storage« umfasst ja eine ganze Reihe von Methoden der Kohlenstoffdioxidspeicherung. An Land, auf See, flüssig oder gasförmig. Wie ordnen Sie diese Projekte ein, hat das Verfahren im Basalt Potenzial?
Klaucke: Potenzial ist ein schwieriges Wort, denn wir werden in Zukunft nicht darum herumkommen. Wir müssen CO2 auch aus der Atmosphäre entnehmen, sonst können wir Klimaziele gar nicht erreichen. Und da sehen wir bei unserer Speichermethode die größten Möglichkeiten. Basaltgestein ist besser geeignet als gasförmige oder, noch kritischer, flüssige Speicher. Denn im Gestein ist es definitiv gebunden, kann also nicht mehr entweichen.
Wie stehen Sie zu der Kritik an CCS-Verfahren, solche Maßnahmen würden den Klimaschutz verzögern und das Problem verlagern?
Bialas: Die CO2-Speicherung kann keine Ausrede sein! Szenarien und Hochrechnungen setzen voraus, dass ein massiver Abbau der CO2-Emissionen in Gesellschaft und Industrie parallel zum CCS laufen muss. Bei einem »Weiter so wie bisher« rettet uns auch die Kohlenstoffeinlagerung nicht.
»Die CO2-Speicherung kann keine Ausrede sein«
Was muss auf gesellschaftlicher und politischer Ebene passieren?
Bialas: Um bis 2050 zu einer klimaneutralen Gesellschaft zu gelangen, muss sich einiges massiv ändern. Derzeit nimmt der weltweite CO2-Ausstoß noch immer zu! Wir sind also bereits jetzt an einem Punkt angekommen, an dem selbst eine radikale Umstellung zu einem emissionsarmen Leben nicht für die CO2-Neutralität ausreicht. Wir müssen zukünftig etwa 20 Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Atmosphäre entnehmen. Derzeitig liegen wir noch immer bei 416 Megatonnen pro Jahr.
Das klingt nun doch eher aussichtslos.
Bialas: CO2-Speicherung ist mit hohen Kosten verbunden, egal wo sie stattfindet, und die Industrie fragt zunächst immer nach dem »business case«. Wie kann ich damit Geld verdienen? Es gibt jedoch auch kleine Lichtblicke. Wo wir vor einigen Jahren nur ein Kopfschütteln als Antwort erhalten haben, sehen wir jetzt wachsendes Interesse. Wir müssen anfangen, den Geschäftszweig viel langfristiger zu sehen: nämlich in der dauerhaften Erhaltung unserer Gesellschaft. Und das ist kein kurzfristiges Gewinnpotenzial. Genau hier ist die Politik gefordert. Sie muss entsprechende Werkzeuge stellen und Vorgaben machen, damit solche Projekte angeschoben und umgesetzt werden.
»Wo wir vor einigen Jahren nur ein Kopfschütteln als Antwort erhalten haben, sehen wir jetzt wachsendes Interesse«
Meinen Sie, wir schaffen es, den Klimawandel abzumildern und die dramatischsten Folgen abzuwenden?
Bialas: Für meine Enkel hoffe ich, dass wir es schaffen. Testprojekte und bestehendes Forschungsinteresse zeigen uns, dass sich etwas bewegt, aber mit einem Blick auf die Zeitskalen stellen wir auch fest, dass wir deutlich schneller werden müssen.
Klaucke: Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft ändern kann. Ich habe aber auch noch viel Hoffnung in die Innovationskraft der Menschheit.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.