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Covid-19: EU empfiehlt Testpflicht für Einreisende aus China

Angesichts der vielen Coronainfizierten in China wächst in Europa die Sorge vor neuen Virusvarianten. Obwohl Experten skeptisch sind, ob Einreisebeschränkungen wirklich notwendig sind, führt Deutschland die Testpflicht ein.
Reisende aus China stehen in einer Schlange am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle
Reisende aus China stehen in einer Schlange am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle. Die EU-Länder sind sich uneinig, ob es eine Covid-19-Testpflicht geben sollte oder nicht – empfehlen sie aber.

Nach dem abrupten Ende seiner Null-Covid-Politik erlebt China derzeit eine gewaltige Coronawelle. Über den Umgang damit herrscht in Deutschland und Europa jedoch Uneinigkeit. Die einen fordern verpflichtende Tests für Reisende aus der Volksrepublik, andere halten das für übertrieben. Auch die Frage, ob China zu einer Brutstätte für gefährlichere Virusvarianten werden könnte, steht im Raum. Wie die schwedische Ratspräsidentschaft am Mittwoch nach einem Treffen von Gesundheitsexperten der Mitgliedstaaten in Brüssel mitteilte, habe man sich nicht auf eine Testpflicht für Reisende aus China einigen können. Die EU-Länder würden aber nachdrücklich dazu aufgefordert, vor der Abreise in Richtung Europa einen negativen Coronatest vorzuschreiben, der nicht älter als 48 Stunden sein soll.

Zusätzlich zu den Tests vor der Abreise wird empfohlen, Reisende aus China bei der Ankunft in der EU künftig stichprobenartig auf Corona zu testen. Positive Proben sollten gegebenenfalls sequenziert werden. Zudem solle das Abwasser von Flughäfen untersucht werden, an denen Maschinen aus China ankommen. Einig sei man sich außerdem darin, das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske an Bord der Flugzeuge zu empfehlen. Die Entscheidungen sind für die einzelnen EU-Staaten nicht bindend, gelten jedoch als wichtige Leitschnur.

Deutschland werde für Einreisende aus China eine Testpflicht einführen, teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstag mit. Die deutsche Einreiseverordnung werde kurzfristig verändert, Reisende aus China benötigten künftig bei Reiseantritt nach Deutschland mindestens einen Antigenschnelltest, sagte der SPD-Politiker.

Knapp einen Monat nach dem Ende der fast drei Jahre verfolgten Null-Covid-Strategie haben sich in China bereits einige hundert Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Krankenhäuser sind überlastet, Krematorien können die Leichen nicht schnell genug einäschern. Nach Schätzungen könnten schon Zehntausende ums Leben gekommen sein. Vom 8. Januar an endet auch die Pflicht zur Quarantäne bei der Einreise nach China. Der riesige Ausbruch soll Erwartungen von Experten zufolge noch bis März oder April andauern. Genaue Infektionszahlen liegen nicht vor, weil die Behörden aufgehört haben, epidemiologische Daten zu veröffentlichen.

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC erwartet derzeit allerdings nicht, dass der Anstieg der Fallzahlen in China die epidemiologische Situation in der EU gravierend beeinflusst. Die EU-Bürgerinnen und -Bürger hätten im Schnitt eine vergleichsweise gute Immunität durch Ansteckungen und Impfungen. Der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb schätzt die Lage ähnlich ein. Er sagte dem Science Media Center (SMC): »Tests für Einreisende aus China würden sicherlich zeigen, dass ein möglicherweise nicht unerheblicher Anteil aller von dort Einreisenden infiziert ist. Dennoch wäre dies im Gesamtblick auf die hier zu Lande derzeit noch vorliegenden Infektionen nur ein sehr kleiner Teil; es würde sicherlich keine neue Infektionswelle ausgelöst.« Die derzeit in China dominierenden Varianten ähneln laut einem Bericht der Universität Basel solchen, die im Rest der Welt zirkulieren. Bislang seien keine stark abweichenden Mutationen bekannt.

Entwicklung einer Immunflucht-Variante »nicht besonders wahrscheinlich«

Isabella Eckerle, Virologin und Professorin an der Universität Genf, sagte dem SMC, sie halte die Entwicklung einer Immunflucht-Variante in China für nicht besonders wahrscheinlich, »da China im Vergleich zum Rest der Welt keine hohe Bevölkerungsimmunität hat«. Natürlich sei es möglich, dass eine neue, besorgniserregendere Variante entsteht, »aber die könnte auch aus einem anderen Teil der Welt kommen, aus denen wir wenig Sequenzen erhalten«. Wichtiger wäre es, die Finanzierung vieler Forschungsprogramme zu Sars-CoV-2 aufrechtzuerhalten. »Um veränderte Eigenschaften einer neuen Variante nachzuweisen, braucht es die biologische Charakterisierung durch Experimente. Also: Wie viel fitter ist die Variante im Vergleich zu anderen? Wie gut umgeht sie die Immunantwort? Gibt es Anzeichen für erhöhte Pathogenität?«, sagte sie.

Auch der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig sagte dem SMC, er persönlich halte es nicht für angemessen, in der aktuellen Situation verpflichtende Tests für Reisende aus China oder anderen Staaten zu Covid-19 einzuführen: »Wir sind schon längst in der Phase der gezielten Schadensmilderung beziehungsweise wir sollten uns dessen auch endlich bewusst sein und entsprechend handeln. Maßnahmen zur Eindämmung wie Einreisebegrenzungen oder -kontrollen sind für eine kurze anfängliche Phase einer Epidemie oder Pandemie sinnvoll, aber nicht mehr jetzt.«

Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sind hingegen für eine europaweite Testpflicht. »Die Infektionen in China laufen völlig unkontrolliert ab. Daher halte ich es für sinnvoll, eine PCR-Testpflicht bei der Einreise vorzuschreiben«, sagte Montgomery der »Rheinischen Post«.

Einig sind sich alle Experten darin, dass es wichtig ist, ein gezieltes Variantenmonitoring einzuführen oder auszuweiten. Teilweise wird das Toilettenabwasser an Flughäfen bereits auf mögliche neue Coronavarianten untersucht, am Frankfurter Flughafen etwa. Dies könne man noch intensivieren, indem beispielsweise das Abwasser einzelner Flugzeuge analysiert werde, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums der dpa. »Wir möchten natürlich frühzeitig wissen, ob sich an der aktuellen Lage irgendetwas ändert«. Deshalb komme es jetzt auch darauf an, dass China bessere Informationen zu dort zirkulierenden Varianten zur Verfügung stellt.

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