Direkt zum Inhalt

Covid-19: Welche Impfstoffe schützen wie lange?

Die Wirkung der Corona-Impfungen lässt nach einigen Monaten teils deutlich nach. Das gilt auch für den Schutz vor einer schweren Erkrankung, und nicht nur für Ältere.
Frau mit Impfpflaster auf dem Arm blickt aus dem Fenster

Der Schutz vor Covid-19 sinkt in den Monaten nach einer Corona-Impfung deutlich. Wie stark, hängt unter anderem von Alter, Geschlecht und Impfstoff ab, so das Fazit einer Forschungsgruppe der Universität Umeå in Schweden. Ihre Studie ist vorerst allerdings nur als »Preprint« veröffentlicht, das heißt: Die für eine Publikation in Fachzeitschriften nötige Qualitätsprüfung steht noch aus.

Das Team um den Mediziner Peter Nordström hat mehr als 840 000 Geimpfte mit ebenso vielen Ungeimpften verglichen. Anstatt erst im Nachhinein Faktoren wie Geschlecht und Alter statistisch zu kontrollieren, wurde für jede geimpfte Person eine in Geschlecht, Alter und Wohnort passende, ungeimpfte Vergleichsperson gesucht. Dazu standen Daten von 5,8 Millionen Menschen aus zwei landesweiten Registern zur Verfügung, denen alle Impfungen und Erkrankungen gemeldet werden müssen.

Demnach gab es im Beobachtungszeitraum von rund neun Monaten knapp 28 000 symptomatische Corona-Infektionen. Bis Ende des zweiten Monats lag der Impfschutz gemittelt über alle Impfstoffe bei rund 90 Prozent; nach sieben Monaten jedoch war er auf 23 Prozent gefallen und damit statistisch nicht mehr relevant. Doch wie stark der Abfall verlief, hing von den verwendeten Impfstoffen ab.

Bei zwei Dosen Biontech war nach sieben Monaten kein Effekt mehr nachweisbar, bei Astrazeneca schon nach vier Monaten: Hier wurde aus dem erhofften Schutz sogar ein erhöhtes Risiko. Das bedeutet nicht, dass der Impfstoff selbst das Risiko einer Infektion steigert. Geimpfte und Ungeimpfte könnten sich auch anderweitig so unterscheiden, dass sich der Effekt umkehrt.

Möglich wäre zum Beispiel, dass sich Geimpfte häufiger testen oder einen positiven Schnelltest eher melden als Ungeimpfte, weil sie die Gefahr, andere anzustecken, eher erkennen und vermeiden wollen. Eine weitere mögliche Erklärung wäre, dass sich Geimpfte vermehrt sorglos verhalten. In der Psychologie kennt man das Phänomen unter dem Begriff »Risikokompensation«. Beispiel: Wer sich mit Sonnencreme schützt, legt sich länger in die Sonne, als er es ohne Sonnenschutz getan hätte, und steigert so wiederum sein Risiko für einen Sonnenbrand. Bestenfalls bleibt ein positiver Effekt, schlimmstenfalls wird der Schutzfaktor zum Risikofaktor. Was nicht heißt, dass die Creme Sonnenbrand fördert, sondern dass der Mensch seinen Schutz wieder verspielt.

Ob Sorglosigkeit oder die Bereitschaft, sich testen zu lassen: Solche Unterschiede im Verhalten könnten auch die Effekte der anderen Impfstoffe systematisch gemindert haben – das lässt sich aus den vorliegenden Daten leider nicht ersehen. Eine Stichprobe ist außerdem stets mit so genannten Zufallsfehlern behaftet, die umso größer ausfallen können, je kleiner die Datenbasis ist.

Mit Moderna Geimpfte waren den Fallzahlen zufolge nach sechs Monaten um rund 60 Prozent seltener an Covid erkrankt (der besagte Zufallsfehler lässt aber auch eine Effektivität von rund 20 bis 80 Prozent noch als möglich erscheinen). Für Aussagen über einen längeren Beobachtungszeitraum gab es offenbar nicht genug Impflinge, ähnlich wie bei der Kreuzimpfung mit Astrazeneca und mRNA. Hier lagen die Effekte nach vier bis sechs Monaten in etwa auf dem Niveau von Moderna, aber mit kleinerem Zufallsfehler.

Ältere Untersuchungen hatten Biontech und Astrazeneca eine höhere Effektivität bescheinigt. Allerdings, so gibt das schwedische Team zu bedenken, hätten sich die Bedingungen unterschieden; beispielsweise hatte sich die Delta-Variante während der früheren Untersuchungen noch nicht durchgesetzt.

Der Schutz vor Krankenhausaufenthalt und Tod erwies sich als beträchtlich stabiler. Aber auch hier ließ die Wirksamkeit mit der Zeit nach: von anfangs rund 90 Prozent Effektivität auf gut 40 Prozent nach zirka sechs Monaten. Das lag vor allem an den Älteren ab 80 Jahre – bei den Jüngeren blieb der Schutz vor schwerem Verlauf nach einem halben Jahr mit rund 80 Prozent weitgehend stabil. Weil die Fallzahlen dafür zu klein gewesen wären, wurde hier nicht zwischen den Impfstoffen unterschieden.

Um die Ergebnisse zu überprüfen, rechnete das Team noch einmal mit Daten von rund zwei Millionen Paaren nach, die nur nach Alter »gematcht« waren. Demnach hatten neben den Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen auch Männer ein erhöhtes Risiko, trotz Impfung schwer zu erkranken. Zwischen sechs und neun Monaten nach der zweiten Dosis hatten Frauen noch gut 70, Männer gut 50 Prozent Impfschutz.

Die Studie umfasste einen Zeitraum von neun Monaten bis Anfang Oktober. Das bedeutet, dass die nachlassende Effektivität nicht nur auf die schwindende Wirkung der Impfung, sondern auch auf den wachsenden Anteil der Delta-Variante zurückgehen könnte. Anders gesagt: In Zeiten der Delta-Variante könnte der Impfschutz von Beginn an niedriger liegen, würde dafür aber nicht so stark abfallen.

»Die Befunde stützen die Gabe einer Booster-Dosis«, fassen Nordström und sein Team zusammen. Selbst in der großen Gruppe der Erwachsenen unter 50 fiel der Impfschutz auf unter 40 Prozent. Priorität sollten jedoch Gruppen mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf haben.

Die Studie kommt gerade recht. Derzeit diskutieren Fachleute und Politik über die Bedingungen für Auffrischungsimpfungen: Wer darf, wer sollte unbedingt? Die Ständige Impfkommission hat sie bislang nur für Risikogruppen wie Ältere, Immungeschwächte und medizinisches Personal empfohlen. Gesundheitsminister Jens Spahn spricht sich für einen Booster für alle aus, deren vollständige Impfung mindestens sechs Monate zurückliegt. Das trifft laut Angaben der Nachrichtenagentur dpa momentan auf mehr als zehn Millionen Menschen zu, inklusive Geimpfte mit Johnson & Johnson und Menschen mit Immunschwäche.

Wann eine Booster-Impfung idealerweise stattfinden sollte, ist noch unklar. Immunologisch spricht einiges dafür, bis zur dritten Dosis lieber mehr Zeit verstreichen zu lassen. Bei älteren und immunschwachen Menschen sollte die Auffrischung allerdings eher früher als später kommen.

Anm. d. Red.: Wegen einiger Nachfragen haben wir einen Absatz ergänzt, der mögliche Erklärungen für den niedrigen oder (im Fall von Astrazeneca) negativen Impfschutz gibt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.