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Corona-Variante: Omikron entkommt Immunschutz nicht vollständig

Laut den ersten vorläufigen Untersuchungen schützen die Impfungen deutlich weniger vor Ansteckung mit Omikron. Doch die Variante ist wohl nicht so schlimm wie befürchtet, auch wenn die Impfstoffe vermutlich angepasst werden müssen.
Blick auf eine Workbench mit Flasche voller Kulturmedium, von dem grad ein wenig in eine Kulturflasche gefüllt wird.

Die ersten vorläufigen Daten geben Hinweise darauf, wie stark die Omikron-Variante von Sars-CoV-2 den Schutz durch Impfungen aushebelt. Demnach ist die Reduktion des Immunschutzes zwar deutlich, aber nicht vollständig. Laut den Analysen der Arbeitsgruppen von Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main und Alex Sigal von der University of KwaZulu-Natal in Durban bieten die durch zwei Impfdosen gebildeten Antikörper kaum messbaren Schutz vor Infektion, eine dritte Impfdosis sowie die Kombination von Infektion und Impfung blockieren das Virus jedoch merklich. Eine weitere Studie eines Teams um Daniel J. Sheward vom Karolinska-Institut in Stockholm deutet ebenfalls auf einen merklichen Restschutz hin, besonders durch die Kombination aus Impfung und Infektion.

Das zeigt, dass Omikron einer vorhandenen Immunität zwar weitgehend entkommt und vermutlich zu sehr vielen Impfdurchbrüchen führen wird. Allerdings ist der Verlust des Schutzes durch die Impfung nicht komplett. Die Studien messen nicht den tatsächlichen Schutz durch die Impfungen, sondern wie stark die vorhandenen Antiköper das Virus daran hindern, Zellen zu infizieren. Diesen Laborwert kann man nicht direkt in den tatsächlichen Impfschutz umrechnen.

Fachleute erwarten deshalb, dass die Impfstoffe insbesondere schwere Verläufe immer noch deutlich reduzieren. »Ich würde spekulieren, dass der Schutz vor schweren Erkrankungen bei immunisierten Personen einigermaßen hoch bleibt«, schreibt der Virologe Florian Krammer auf Twitter. Dafür gebe es mehrere Gründe, darunter nichtneutralisierende Antikörper sowie die Aktivität von T- und B-Zellen. Auch Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, sagte dem »Science Media Center«, er rechne mit einem vergleichsweise hohen Schutz vor schweren Erkrankungen.

Gleicher Rezeptor, weniger Schutz

Die Arbeitsgruppen um Ciesek und Sigal arbeiteten direkt mit Proben der in Südafrika erstmals isolierten Virusvariante, das Team um Sheward dagegen mit einem technisch erzeugten Pseudovirus, das Spike-Proteine trägt. Um die Wirkung der Antikörper durch Impfstoffe zu bestimmen, testeten die Fachleute, wie gut die Antikörper in Blutproben das Virus stoppten. Das Team um Sigal überprüfte so den Schutz von zwölf mit Biontech-Impfstoff immunisierten Personen. Sechs von ihnen waren zusätzlich mit Sars-CoV-2 infiziert gewesen. In den Versuchen sank die Schutzwirkung im Mittel um das 41-Fache im Vergleich zum ursprünglichen Virus, allerdings nicht bei allen Versuchspersonen gleichermaßen. Fünf der sechs Genesenen zeigten einen messbaren Schutz durch Antikörper.

In einer weiteren Untersuchung stellte Sigal fest, dass Omikron immer noch auf ACE2 als Zellrezeptor angewiesen ist: Das Virus infizierte Zellen, die sein Team künstlich mit dem ACE2-Rezeptor ausgestattet hatte, nicht aber die unveränderten Vorläuferzellen. Fachleute hatten angesichts der deutlichen Veränderungen am Virus befürchtet, dass der Erreger auf ein anderes Molekül als Eintrittspunkt umgeschwenkt sei. Das hätte die Bekämpfung der Pandemie deutlich erschwert. »Das ist besser, als ich für Omikron erwartet hätte«, schreibt Sigal auf Twitter über die Resultate. »Es bedeutet, dass wir das Problem mit den vorhandenen Mitteln angehen können.«.

Die Arbeitsgruppe von Ciesek kommt nach Angaben der Forscherin – die Veröffentlichung ist noch nicht einsehbar – auf vergleichbare Ergebnisse. Die durch zwei Impfdosen des Biontech-Vakzins, des Impfstoffes von Moderna und die Kreuzimpfung mit AstraZeneca und Biontech entstandenen Antikörper bieten demnach jeweils sechs Monate nach der zweiten Impfung keinen messbaren Schutz. Eine dritte Impfdosis dagegen erhöht die Wirksamkeit der Antikörper nach drei Monaten auf 25 Prozent, was ebenfalls zeigt, dass Omikron dem Immunschutz nicht komplett entkommt. Laut Ciesek ist der Schutz gegenüber Delta jedoch um das 37-Fache verringert. Außerdem zeigte das Team, dass das bei Risikogruppen eingesetzte Antikörpermedikament Ronapreve, bestehend aus den monoklonalen Antikörpern Imdevimab und Casirivimab, gegen Omikron offenbar keine Wirkung hat.

Die Resultate der schwedischen Studie des Teams um Sheward stimmen etwas zuversichtlicher. Sie deuten auf einen geringeren Rückgang der Schutzwirkung als die Analysen von Ciesek und Sigal. Die Arbeitsgruppe testete Blutproben von 17 Blutspendern mit Antikörpern gegen Sars-CoV-2 sowie von 17 Personen, die in Kliniken arbeiten und sowohl geimpft als auch infiziert waren. Laut den Ergebnissen ist der Rückgang des Immunschutzes extrem variabel, er schwankt zwischen keinem Rückgang und einem Faktor von 23, jeweils verglichen mit der Schutzwirkung gegenüber dem ursprünglichen Virus.

Der Booster ist trotzdem sinnvoll

Personen, die nicht nur geimpft, sondern auch infiziert waren, hatten die beste Schutzwirkung. Allerdings gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, wie häufig und wann die Probanden geimpft wurden, zudem gilt sie wegen der verwendeten Virusattrappe als weniger aussagekräftig. »Die Experimente mit den Pseudoviren haben einen geringeren Abfall gezeigt, die Daten mit dem isolierten Virus sind aber relevanter«, sagt Watzl.

Vermutlich wird ein eigener Impfstoff gegen die neue Variante kommen. Laut den Daten ist die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffes sinnvoll, schreibt auch Ciesek auf Twitter. Fachleute rechnen schon länger damit, dass die Impfungen gegen Sars-CoV-2 im Lauf der Zeit an neue Varianten angepasst werden müssen. Bereits kurz nach der Entdeckung der neuen Variante hatte das Unternehmen Biontech angekündigt, die neue Virusvariante zu prüfen und gegebenenfalls mit der Entwicklung zu beginnen.

Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen zusammen mit seinem US-Partner Pfizer bereits Vorkehrungen getroffen, den Impfstoff binnen sechs Wochen an so genannte Escape-Varianten wie Omikron anzupassen. Dazu gehören derzeit laufende Studien mit schon entwickelten »variantenspezifischen Impfstoffen«, die das Unternehmen als Musterdaten für die Zulassung eines veränderten Impfstoffes verwenden will.

Da bei mRNA-Impfstoffen lediglich einige Punkte in der Abfolge der verwendeten Erbgutbausteine verändert werden und der Impfstoff sonst identisch ist, verhalten sich solche an Mutationen angepasste Impfungen mutmaßlich ebenso wie das Original. Wenn sich das nachweisen lässt, könnte ein solcher Variantenimpfstoff sehr schnell zugelassen werden. Biontech hat angekündigt, ein verändertes Vakzin könne binnen 100 Tagen ausgeliefert werden. »Da diese angepassten Impfstoffe frühestens im Jahr 2022 im Februar oder März kommen werden, sollte man aber nicht darauf warten, sondern sich jetzt impfen oder boostern lassen«, empfiehlt Carsten Watzl.

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