Covid-19: Was passiert, wenn man Corona-Impfstoffe kombiniert?
Es gibt immer noch nicht genug Corona-Impfstoffe, besonders für die zweite Impfung. Eine mögliche Lösung: Mittel von AstraZeneca, Biontech, Moderna und anderen munter kombinieren. Doch während das auch in Deutschland schon passiert, sind wesentliche Fragen zu dem Vorgehen offen. Zum Beispiel, ob dadurch unbekannte Risiken drohen oder bisher nicht beobachtete Nebenwirkungen auftreten. Vor allem aber: Schützen solche Kombi-Impfungen ebenso gut wie das bisherige Verfahren?
Theoretisch sei dieses Mix & Match kein Problem, sagen viele Fachleute, schließlich täten die Mittel das Gleiche. Man könne sich Covid-19-Impfstoffe als Fahrzeuge vorstellen, die eine Fracht transportieren – die Fahrzeuge mögen unterschiedlich sein und sie mögen ihre Ladung auf verschiedenen Wegen abwerfen, aber die Ladung aus Spike-Proteinen ist die gleiche, beschreibt es etwa Kylie Quinn vom Royal Melbourne Institute of Technology. Da die Fracht identisch sei, sollten die Impfstoffe theoretisch gut zusammenarbeiten.
Vielleicht sogar besser. Impfstoffe zu kombinieren, könne gar einen besseren Schutz gegen Covid-19 bieten, als zweimal dasselbe Mittel zu nehmen, vermuteten Fachleute schon im Januar auf Grundlage einer Studie an Mäusen. Flexibel zu sein und Mischimpfungen zuzulassen, wäre demnach mit einem geringen Risiko verbunden, würde aber die große Chance bergen, schneller mehr Menschen vollständig zu schützen. Dagegen spricht die Ungewissheit.
Weil die Impfstoffe neu sind und ihre Kombination kaum untersucht, gibt es bislang nur wenig aussagekräftige Daten. Nun zeigen erste Publikationen, dass die Kombi-Impfung womöglich funktioniert. Die spanische CombiVacS-Studie lieferte vorläufige Daten, nach denen die Immunreaktion nach der Kombi-Impfung mindestens genauso gut ist wie nach dem normalen Impfschema. Außerdem bekommen laut Vorab-Daten der Com-CoV-Studie zwar Menschen, die zuerst das Mittel Vaxzevria von Oxford/AstraZeneca und dann ein anderes bekamen, häufiger unerwünschte Reaktionen – die waren laut Studie aber nur kurz und insgesamt harmlos. /p>
Covid-19-Impfstoffmischung: Auf ins Ungewisse
Seit einigen Monaten testen die Verantwortlichen der Com-CoV-Impfstoffstudie der Oxford Vaccine Group verschiedene Kombinationen zugelassener Covid-19-Impfstoffe für die erste und zweite Impfdosis. Für die meisten Corona-Impfungen braucht es zwei Stiche in den Oberarm zum optimalen Schutz. Während die erste Impfdosis das Immunsystem aktiviert, soll die zweite – der Booster – seine Abwehrfähigkeiten steigern und so die Wirkung stärken.
Die Daten der aktuellen Publikation stammen von 830 Menschen im Alter von 50 Jahren und älter. Untersucht hat die Gruppe vier verschiedene Kombinationen von Grund- und Auffrischungsimpfung: eine erste Dosis des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs, gefolgt von einer Auffrischung entweder mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff oder einer weiteren Dosis des Oxford/AstraZeneca-Impfstoffs, oder eine erste Biontech-Dosis, gefolgt von einer Auffrischung entweder mit dem Oxford/AstraZeneca-Impfstoff oder einer weiteren Dosis des Pfizer-Impfstoffs.
Nicht unerwartet: Die Impfreaktionen fallen bei der heterologen Impfung (1. AstraZeneca/2.BioNTech) etwas stärker aus als bei den homologen Impfungen. Daten zur Höhe der Immunreaktion folgen "in Kürze".https://t.co/sa0uYg8vEKpic.twitter.com/arbWDKINDI
— Carsten Watzl (@CarstenWatzl) May 13, 2021
Im April haben die Forscher das Programm zudem um die Impfstoffe Moderna und Novavax erweitert. Die ersten Ergebnisse dieser neuen Studie namens Com-CoV2 stehen noch aus. Was mit Johnson & Johnson ist? Nun, von der Covid-19 Vaccine Janssen braucht es nach derzeitigem Stand sowieso nur eine Einzeldosis.
Das Ergebnis des ersten Durchgangs liegt nun vor: Wer innerhalb von vier Wochen gemischt geimpft wurde, hatte nach der Booster-Impfung häufiger Reaktionen wie Jucken, Rötungen und Schmerzen im Arm als diejenigen, die zweimal dieselbe Vakzine bekamen. Lange angehalten hätten die Nebenwirkungen allerdings auch in diesen Fällen nicht.
»Wichtig ist, dass es keine Sicherheitsbedenken oder -signale gibt«, sagt Matthew Snape, Mitarbeiter der Oxford Vaccine Group, in einer die Studie begleitenden Pressemitteilung. Das sage jedoch nichts darüber aus, inwiefern die Immunantwort durch die Mischung beeinflusst wird. Denn weder bedeutet eine starke Impfreaktion auch besseren Impfschutz noch umgekehrt. Snape plant, die Daten dazu in den kommenden Monaten vorzustellen. »In der Zwischenzeit haben wir die laufende Studie angepasst, um zu prüfen, ob eine frühzeitige und regelmäßige Einnahme von Paracetamol die Häufigkeit dieser Reaktionen reduziert.«
Mischen? Nur in »Ausnahmesituationen«
Bisher allerdings raten die Zulassungsbehörden ausdrücklich, die bisherigen, bereits in Studien ausführlich getesteten Impfschemata weiter zu befolgen. Die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention warnen davor, Impfstoffe zu mischen, es sei denn, es liegen »Ausnahmesituationen« vor. Dazu zählt etwa ein Mangel an dem Impfstoff der ersten Dosis auf Grund von Produktions- oder Verteilungsproblemen.
In Großbritannien hat Public Health England eine ähnliche Haltung eingenommen. Und auch die Ständige Impfkommission (STIKO) vertritt diese Position. Das Gremium empfiehlt ausdrücklich, verschiedene Impfstoffe nicht zu kombinieren. »Eine begonnene Impfserie muss gegenwärtig mit demselben Produkt abgeschlossen werden«, heißt es im entsprechenden Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts.
Für AstraZeneca gibt es jedoch eine Ausnahme von oben genannter Regel. Wegen des geringen Risikos von Sinusvenenthrombosen bei unter 60-Jährigen rät die STIKO bei Personen im Alter von unter 60 Jahren an Stelle der zweiten AstraZeneca-Impfstoffdosis zu einer Dosis eines mRNA-Impfstoffs.
Die Wahl des Zweitmittels sei eine individuelle Entscheidung, twittert der Infektiologe Leif Erik Sander als Antwort auf die Frage, ob man nach einer AstraZeneca-Erstdosis als Zweites lieber Biontech oder »freiwillig, weil unter 60« noch mal AstraZeneca wählen sollte. Er würde, schreibt er weiter, einen heterologen Boost mit mRNA-Impfstoff nehmen. »Ich gehe fest davon aus, dass es eine exzellente Immunität generiert, analog zu Genesenen, die 1x BioNTech bekommen haben.«
Das ist eine individuelle Entscheidung. Beides vertretbar. Ich persönlich würde einen heterologen Boost mit mRNA-Impfstoff nehmen.
— Leif Erik Sander (@Sander_Lab) April 27, 2021
Ich gehe fest davon aus, dass es eine exzellente Immunität generiert, analog zu Genesenen, die 1x BioNTech bekommen haben. https://t.co/oIHlkblivapic.twitter.com/Oy6Hr8BkYz
Der Abstand zwischen erster und zweiter Impfdosis ist mitentscheidend
Weiter heißt es, die STIKO habe entschieden, für die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna einen Impfabstand von sechs Wochen zu empfehlen. »Dadurch wird die beste Balance zwischen einem sehr guten Individualschutz und einem optimalen Bevölkerungsschutz erreicht«, heißt es.
AstraZenecas Vaxzevria wiederum sei »grundsätzlich in einem Abstand von zwölf Wochen zur Erstimpfung zu verabreichen«. So deuten die Daten aus den Zulassungsstudien darauf hin, dass die Wirksamkeit der ersten AstraZeneca-Impfstoffdosis über einen Zeitraum von drei bis zwölf Wochen nach der Impfung konstant bestehen bleibt, ohne nachzulassen. Außerdem habe sich gezeigt, dass bei der Impfung mit Vaxzevria die Schutzwirkung nach zwei Impfstoffdosen bei einer Verlängerung des Impfabstands von weniger als sechs Wochen auf zwölf Wochen sehr deutlich zunimmt.
Wer also den optimalen Impfschutz möchte, sollte Geduld bewahren und die optimale Wirkung rausholen. Dass es lohnenswert sein kann, die zweite Impfdosis möglichst spät nach der ersten zu geben, hat derweil hat eine weitere Studie gezeigt. Zumindest bei Menschen unter 65 Jahren könnte das Hinauszögern zu einer bis zu 20 Prozent niedrigeren Sterblichkeit führen, wie ein Team im »British Medical Journal« schreibt. Jedenfalls unter bestimmten Bedingungen.
Wichtig ist demnach eine Impfstoff-Effektivität von 80 Prozent oder mehr bei einer Dosis und Impfquoten von 0,1 Prozent bis 0,3 Prozent der Bevölkerung pro Tag. Wenn diese Bedingungen zutreffen, könnte die Verzögerungstaktik laut den Forscherinnen und Forschern zwischen 26 und 47 Todesfälle pro 100 000 Menschen verhindern.
Doch auch die ganz normalen Impfungen, wie sie seit einigen Monaten in Deutschland durchgeführt werden, bremsen das Virus erheblich. Vermutlich spielen die Impfungen beim derzeitigen Abflauen der dritten Welle eine wesentliche Rolle. Deswegen ist es womöglich gar nicht mal so wichtig, ob und wie bei der eigenen Impfung die Vakzine kombiniert werden. Ungeachtet der Unterschiede gilt: Alle bislang in Deutschland zugelassenen Impfstoffe sind nach zwei Dosen hochwirksam.
Und damit reicht es für den individuellen Schutz völlig aus, sich nach Empfehlung mit AstraZeneca, Biontech, Moderna oder Janssen impfen zu lassen. Alle erhöhen die Chance, Covid-19 ohne Husten, Fieber, Schnupfen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust zu überstehen – oder mindern zumindest die Symptome und verhindern so schwere Verläufe, die schlimmstenfalls dazu führen, dass Menschen auf der Intensivstation landen.
Nicht zuletzt hilft jede Impfung, die Pandemie einzudämmen. Bis es so weit ist, bleiben allerdings die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen wichtig: Abstand halten, Maske tragen, Kontakte mit anderen Menschen in Innenräumen meiden oder wenigstens oft lüften. Doch die Impfungen könnten schon bald dafür sorgen, dass all das nicht mehr notwendig ist.
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