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Genome Editing: CRISPR-Babys zu schaffen, ist noch immer zu riskant

Noch lassen sich die Gene menschlicher Embryonen nicht nachweislich sicher und zielführend verändern. Jeglicher Versuch sei zu gefährlich, warnt eine Kommission.
Babyfüße schauen aus einer Decke heraus.

Gene in menschlichen Embryonen zu bearbeiten, könnte eines Tages verhindern, dass einige schwer wiegende genetische Störungen vererbt werden – doch derzeit ist die Technik zu riskant, um bei Embryonen, die zur Einnistung bestimmt sind, angewendet zu werden. Zu diesem Ergebnis ist eine hochrangige internationale Kommission gekommen. Und selbst wenn die Technik ausgereift ist, würde man sie zunächst nur in sehr speziellen Fällen anwenden, sagen die Mitglieder weiter.

Die Empfehlungen, die am 3. September 2020 in einem Bericht veröffentlicht wurden, haben Experten aus zehn Ländern erarbeitet. Die US National Academy of Medicine, die US National Academy of Sciences und die UK Royal Society hatten die Kommission einberufen. Die Beurteilung stimmt mit anderen der vergangenen Jahre überein. Demnach ist auf Gen-Editing am Menschen zu verzichten, bis Forscher die Sicherheit diskutiert haben und die Öffentlichkeit Gelegenheit hatte, sich zu ethischen und gesellschaftlichen Bedenken zu äußern.

»Die Technologie ist derzeit noch nicht reif für die klinische Anwendung«, sagt Richard Lifton, Präsident der Rockefeller University in New York City und Kovorsitzender der Kommission. Die Autoren des Berichts sprechen sich dafür aus, ein internationales Komitee zu berufen, das die Entwicklungen in der Technologie bewertet und politische Führer und Regulierungsbehörden entsprechend berät.

He Jiankuis CRISPR-Babys waren der Auslöser

Die Kommission wurde gebildet, nachdem He Jiankui 2018 mit seinen Versuchen schockiert hatte. Der chinesische Biophysiker hatte nicht nur menschliche Embryonen editiert, um sie gegen eine HIV-Infektion resistent zu machen, er hatte sie auch Frauen implantiert. Die Embryonen entwickelten sich weiter, das Ergebnis war die Geburt von zwei Kindern mit editierten Genomen.

Ein Gericht verurteilte He und zwei seiner Kollegen mittlerweile zu Gefängnisstrafen. Und viele Wissenschaftler verurteilen die Arbeit weithin.

Laut dem aktuellen Bericht ist die Technik noch nicht sicher und wirksam. Obwohl sich Genome mit Genom-Editing-Technologien wie CRISPR-Cas9 ziemlich präzise bearbeiten lassen, haben sie erwiesenermaßen einige unerwünschte Veränderungen an den Genen hervorgerufen und können selbst zwischen Zellen innerhalb desselben Embryos zu einer Reihe unterschiedlicher Ergebnissen führen.

»Der Bericht legt dar, wie selten Menschen tatsächlich Zugang zu einer vererbbaren Bearbeitung des menschlichen Genoms benötigen werden«
Jackie Leach Scully, Bioethikerin

Es könnte Jahre dauern, bis Forscher in der Lage sind, diese Schwierigkeiten auszugleichen, sagt Haoyi Wang, Entwicklungsbiologe am Institut für Zoologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und Mitglied der Kommission. Darüber hinaus, sagt Wang, müssen die Wissenschaftler bessere Methoden entwickeln, um ein menschliches Genom aus einzelnen Zellen gründlich zu sequenzieren, so dass ein bearbeiteter Embryo im Detail auf unerwünschte genetische Veränderungen untersucht werden kann.

Die Autoren des Berichts empfehlen zudem, einzelne Nationen sollten in einem ersten Schritt eine eingehende Diskussion mit der Öffentlichkeit führen. Sollten sie daraufhin entscheiden, bereit zu sein, die Bearbeitung des Erbguts voranzutreiben, wäre die Praxis in einem zweiten Schritt zunächst auf schwer wiegende genetische Störungen zu beschränken, für die DNA-Varianten in einem einzigen Gen verantwortlich sind. Selbst in diesem Fall sollten Forscher die Methode lediglich anwenden, wenn es nur schlechte Alternativen gibt, um ein biologisch verwandtes Kind zu bekommen, das von der genetischen Störung nicht betroffen ist.

»Der Bericht legt dar, wie selten Menschen tatsächlich Zugang zu einer vererbbaren Bearbeitung des menschlichen Genoms benötigen werden«, sagt Jackie Leach Scully, Bioethikerin an der University of New South Wales in Sydney, Australien. In einigen Fällen würden Menschen stattdessen Embryonen aussortieren, die eine unerwünschte genetische Mutation tragen.

Eine tiefergehende Ethik-Diskussion hat nicht stattgefunden

Die Kommission hat noch auf einen weiteren Punkt hingewiesen: Es sei notwendig, Menschen mit bearbeiteten Genomen und später auch deren Kinder zu untersuchen, um die Auswirkungen des Verfahrens auf die geistige und körperliche Gesundheit der kommenden Generationen zu verstehen.

»Die Kommission erkennt an, dass selbst Fragen der Sicherheit und Wirksamkeit ethische Fragen sind«
Karen Yeung, University of Birmingham

Der jüngste Bericht ist ungewöhnlich. Denn die Autoren haben sich zwar auf wissenschaftliche und technische Fragen konzentriert, führen aber keine eingehende Ethikdiskussion. Einige halten das für bedenklich, weil manche Menschen nun denken könnten, »man würde sagen: ›Weil wir diesen Schwerpunkt auf wissenschaftliche und technische Fragen gelegt haben, haben wir bereits die Entscheidung getroffen, damit weiterzumachen‹«, sagt Scully.

Dennoch sei es für die Kommission unmöglich gewesen, ethische Fragen vollständig auszuschließen, sagt Karen Yeung, die an der britischen University of Birmingham neue Technologien beobachtet. »Sie erkennt an, dass selbst Fragen der Sicherheit und Wirksamkeit ethische Fragen sind«, sagt Yeung. »Was ist die angemessene Schwelle? Wie viele Experimente müssen durchgeführt werden? Was ist genug?«

Ein weiterer Bericht, der ursprünglich bis Ende 2020 erscheinen sollte und von der Weltgesundheitsorganisation koordiniert wird, soll sich mehr mit Fragen der Ethik und der Regierungsführung befassen.

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