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News: Da waren's nur noch zwei

Die Lehrbuchmeinung von lediglich einem einzigen lichtempfindlichen System mit den beiden Photorezeptoren Zapfen und Stäbchen in der Netzhaut von Säugetieren gilt seit der Entdeckung des Melanopsin-Rezeptors als überholt. Immer neue Systeme tauchten in der Literatur auf. Vielleicht zu viel des Guten?
Melanopsin-Rezeptor
Für die Redaktion der Fachzeitschrift Science gehörte sie zu den zehn wichtigsten wissenschaftlichen Fortschritten des Jahres 2002: die Entdeckung eines dritten Photorezeptors bei Säugetieren. Bis dahin kannten die Forscher nur zwei Lichtsinneszelltypen in der Netzhaut: die fürs Farbensehen zuständige Zapfen, von denen das menschliche Auge etwa sechs Millionen Stück hat, und die farbenblinden, aber stark lichtempfindlichen 125 Millionen Stäbchen.

Doch dann entdeckten Forscher einen dritten Typ: In der Netzhautschicht oberhalb von Zapfen und Stäbchen sitzen die Ganglienzellen, die direkt mit dem Sehnerv verbunden sind – und manche von ihnen enthalten das lichtempfindliche Pigment Melanopsin. Und diese melanopsinhaltigen Zellen erwiesen sich als wesentliche Stellschrauben für die innere Uhr.

Einmal fündig geworden, fahndeten die Forscher nach weiteren lichtempfindlichen Systemen in der Retina – anscheinend mit Erfolg: Sie entdeckten so genannte Cryptochrome – Pigmente, die bei Pflanzen und Insekten die innere Uhr steuern. Bei Säugetieren schienen sie für weitere Funktionen, wie die Steuerung des Pupillenreflexes, zuständig zu sein. Demnach könnte das Auge über ein ganzes Repertoire lichtempfindlicher Systeme verfügen.

Doch Samer Hattar von der Johns Hopkins University ist davon nicht recht überzeugt. Insbesondere bezweifelt er die Methodik seiner Forscherkollegen. Denn um das normale Sehsystem auszuschalten, arbeiten die meisten Physiologen mit Mäusen, bei denen die Netzhaut zerstört ist. "Bei diesem Modell kann man aber nie sicher sein, welcher Anteil der Zapfen und Stäbchen wirklich ausgeschaltet ist", kritisiert Hattar. "Und man weiß nicht, ob nicht die degenerierte Netzhaut selbst die Versuchsergebnisse beeinflusst."

Zusammen mit anderen Wissenschaftlern, darunter auch Münchner Forschern, versuchte Hattar einen neuen Ansatz: Er züchtete Mäuse, bei denen die Gene für die Pigmente von Zapfen und Stäbchen sowie des Melanopsinsystems ausgeschaltet sind. So konnten die Forscher die Wirkung der einzelnen Pigmente bei ansonsten normaler Netzhaut testen.

Und die Deaktivierung dieser Pigmente genügte: Die dreifachen Knock-out-Mäuse waren nicht nur blind, sie zeigten auch keinerlei Pupillenreflexe, und ihre innere Uhr ließ sich nicht mehr durch Licht verstellen.

Weitere lichtabhängige Elemente, wie das postulierte Cryptochrom-System, spielen nach Überzeugung der Forscher in der Netzhaut von Säugetieren, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Demnach existierten bei Säugern nur zwei lichtempfindliche Systeme: die für das Sehen zuständigen Zapfen und Stäbchen sowie das Melanopsinsystem der inneren Uhr.

"Bei Taufliegen gibt es verschiedene Systeme, die bei der Lichtwahrnehumg eine Rolle spielen", erklärt Hattar. "Und bei anderen Tieren, wie Zebrafischen und Vögeln, ist die Lichtwahrnehmung noch nicht einmal auf das Auge beschränkt. Doch bei Säugetieren sind all diese Funktionen – wie Sehen, circadiane Rhythmik und lichtinduzierte Aktivität – auf einen einzigen Ort beschränkt: die Retina, mit nur zwei Systemen." Und Arbeitsgruppenleiter King-Wai Yau ergänzt: "Man soll niemals nie sagen, aber bis jetzt gibt es keinen Hinweis für ein drittes System."

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