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News: Damals wie heute - Kleider machen Leute

Wie stellen wir uns eigentlich unsere Ahnen in der Eiszeit vor? Schauen wir dazu einmal die Familie Feuerstein an: in grobe Tierfelle gehüllt und barfuß. Stellen Sie sich vor, Wilma trägt plötzlich ein fein gewebtes Kleid - oder eine warme Mütze. Das ist schwierig? Aber gar nicht so realitätsfern, wie neue Funde von Stoffabdrücken zeigen.
Wenn Fred Feuerstein seiner Wilma ein neues Kleid schenkt, gerät sie vor Entzücken ganz aus dem Häuschen und dankt mit schmachtendem Augenaufschlag. Das Tierfell ist das universale Kleidungsstück: im Sommer nicht zu warm, im Winter ausreichend kuschelig – für uns im Zeitalter der Zentralheizung nahezu unvorstellbar. Und wenn wir dann bei Schnee und Frost in Mäntel und dicke Jacken, Wollsocken, Mützen und Handschuhe schlüpfen, bedauern wir sie heftig, unsere Vorfahren in der Eiszeit.

Aber schon damals konnten Frauen mehr, als nur grobe Fellstücke aneinander heften. Neue Funde zeigen, dass zumindest einige von ihnen eine gut bestückte Garderobe besaßen, mit Mützen, Haarnetzen, Gürteln und Röcken sowie verschieden Oberteilen. Auch schmückende Utensilien wie Armbänder und Ketten durften natürlich nicht fehlen. Aus Pflanzenfasern stellten die Frauen Stoffe verschiedener Qualität her, von groben Matten bis hin zu fein gewebten Tüchern, die durchaus vergleichbar sind mit unseren dünnen Baumwoll- und Leinenstoffen.

Bewundern können wir die Kleidungsstücke heute leider nicht mehr, sie sind längst zerfallen. Aber 80 Abdrücke auf kleinen Lehmstückchen aus der ehemaligen Tschechoslowakei brachten Olga Soffer, James Adovasio und David Hyland von der University of Illinois in Urbana-Champaign auf die Spur eiszeitlicher Mode. Diese Abdrücke sind "die ältesten Hinweise der Welt auf die Herstellung von Tauwerk und Kleidung und zeigen Technologien, die erst mit viel späteren Perioden in Verbindung gebracht wurden", erklären die Wissenschaftler.

Soffer vergleicht die Abdrücke auch mit den Darstellungen von Kleidung auf den sogenannten "Venus"-Figürchen, die ebenfalls etwa 25 000 Jahre alt sind. "Ganz plötzlich fiel uns auf, dass das, was wir unter dem Mikroskop betrachteten, genau dem entsprach, was als Kleidung auf einigen dieser 'nackten Damen' gezeigt wurde", erzählt sie. Die Wissenschaftlerin hält es für sehr wahrscheinlich, dass die eiszeitlichen Näherinnen auch diese Figürchen eingekleidet haben, die eindrucksvoll bezeugen, wie kunstvoll die Frauen damals weben und flechten konnten. Nach Ansicht der Forscher genossen Frauen, die diese Kunstfertigkeit besaßen, in der Gesellschaft wahrscheinlich ein hohes Ansehen, und ihre Kleidung galt als äußerst kostbar.

Und wie passt das nun in unser Verständnis von den in Fell und Tierhäute gehüllten Menschen, ständig umgeben von dem Geruch eines nassen Hundes? In Rekonstruktionen und Museen werden uns ja meist nur die stolzen Männer von damals vorgestellt, mit Fell über der Schulter und Speer in der Hand, wie sie unter großen Gefahren für Frauen und Kinder, Alte und Gebrechliche Nahrung beschaffen. Ja, aber wo waren sie denn, die Daheimgebliebenen? Und wie sahen sie eigentlich aus? Und was haben sie den lieben, langen Tag gemacht? Bestimmt haben sie nicht nur untätig am Feuer herum gesessen.

Wir werden wohl umdenken müssen. Nicht erst seit Vogue und Naomi Campbell legen Menschen Wert auf schöne Kleidung und hochwertige Stoffe. Denn schon zu Eiszeiten galt: Kleider machen Leute.

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