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News: Damenwahl

Gleich und gleich gesellt sich gern. Diese Losung gilt auch für die Brautschau in der Tierwelt, da aus "Mischehen" zwischen nahe verwandten Arten häufig unfruchtbarer Nachwuchs hervorgeht. Aber dennoch sind für die Damen einer bestimmten Vogelart die männlichen Artgenossen offenbar nicht immer erste Wahl, stattdessen fliegen diese Weibchen eher auf Gatten einer anderen Art.
Für die meisten Tiere ist es ein heikles Unternehmen, sich auf einen Partner einer anderen Art einzulassen. Selbst wenn ihr Nachwuchs lebensfähig ist, kann er sich oftmals nicht vermehren, wie der klassische Fall des Maultieres – einer Kreuzung aus Pferd und Esel – beweist. Umso erstaunlicher klingt es, dass die Vogeldamen des Halsbandschnäppers (Ficedula albicollis) derartige Nachteile bewusst in Kauf nehmen, wenn sie sich mit einem artfremden Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) paaren: Denn die aus einer solchen Verbindung hervorgehenden weiblichen Nachkommen sind nahezu alle steril, während die männlichen nur eine geringfügig reduzierte Fruchtbarkeit aufweisen.

Über 20 Jahre lang erforschten Ben Sheldon und seine Kollegen von der University of Oxford die beiden Fliegenschnäpperarten in Schweden sowie der Tschechischen Republik und stießen dabei auf ein überraschendes Verhalten: Obwohl es Frau Halsbandschnäpper nicht schwer fallen dürfte, ihre männlichen Artgenossen aufgrund ihres typischen Federkleides und Gesangs von den fremden Vogelmännern zu unterscheiden, kam es in den Untersuchungsgebieten häufiger zu Mischehen, als die Forscher aufgrund von Zufällen erwarteten.

Doch diese Wahl scheint keinesfalls die schlechteste zu sein. Denn die klugen Halsbandschnäpperinnen haben ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, um die Fallstricke zu umgehen, welche die Natur bei der Hochzeit mit einem Trauerschnäpper-Gatten ausgelegt hat: Erstens produzieren die Mischehen den meisten Nachwuchs zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt in der Brutsaison, während reine Halsbandschnäpper-Pärchen wie die meisten Vögel möglichst früh brüten. Für zu spät gekommene Weibchen mag es somit von Vorteil sein, sich mit artfremden Männchen zu verbinden.

Zweitens waren einige mit einem Trauerschnäpper liierte Halsbandschnäpper-Damen offenbar heimlich fremdgegangen, da sich nicht der artfremde Gatte als biologischer Vater ihrer Jungen entpuppte, sondern ein männlicher Artgenosse. Unklar bleibt allerdings, ob ein derartiger Seitensprung häufiger bei Mischehen auftritt oder der Samen des Halsbandschnäpper-Männchens den seines Widersachers aussticht.

Drittens gingen aus gemischten Vogelpärchen unverhältnismäßig viele männliche Junge hervor. Das Gleichgewicht war somit in Richtung der Männchen verschoben, die ja im Gegensatz zu den Weibchen fortpflanzungsfähig sind.

Zusammen gleichen diese drei Faktoren die offensichtlichen Nachteile aus, die eine Verbindung zwischen Halsband- und Trauerschnäpper zwangsläufig mit sich bringt. "Derart raffinierte Mechanismen entwickeln sich möglicherweise schnell in einem Grenzgebiet, wo sich zwei nahe verwandte Arten überlappen", spekuliert Dennis Hasselquist von der Lund University. Der genetische Austausch könnte hier zur Entstehung einer neuen Art führen.

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  • Quellen
Nature Science Update
Nature 411: 45–50 (2001)

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