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Sternenphysik: Das Antlitz eines fernen Sterns

Mit einem Verbund von vier Teleskopen haben Astronomen zum ersten Mal eine hinreichende Auflösung erreicht, um einen Nachbarstern als strukturierte Scheibe zu sehen. Ihre Bilder des Altairs im Sternbild Adler machen deutlich: Die theoretischen Modelle für viele Sterne müssen überarbeitet werden.
Der Stern Altair
Es zählt zu den großen Enttäuschungen angehender Hobby-Astronomen. Da hat man sich je nach Enthusiasmus und Geldbeutel ein kleines oder etwas größeres Fernrohr gekauft, richtet es erwartungsvoll des Nachts auf einen Stern – und sieht wie zuvor mit bloßem Auge nur einen Lichtpunkt. Denn anders als der Mond, die Planeten und gelegentliche nahe Kometen sind die Sterne – mit Ausnahme der Sonne – nunmal so weit weg, dass selbst die wahren Riesenspiegel der Profis aus dem Punkt kein Scheibchen machen können. Nur die Zahl der sichtbaren Sterne nimmt zu, aber nicht ihre scheinbaren Größen.

Es verwundert also nicht, dass der überwiegende Teil dessen, was wir über Sterne wissen und zu wissen glauben, auf Beobachtungen an unserer Sonne zurückgeht. Ergänzt durch ein paar Daten aus spektralen Zerlegungen des fernen Sternenlichts. Zusammen genug Material für Theorien und Modelle, die jedoch ein wenig unsicher in der Schwebe sind, solange niemand die Eigenschaften von Roten Riesen und Weißen Zwergen tatsächlich an Roten Riesen und Weißen Zwergen vermessen kann.

Der dafür notwendige hochaufgelöste Blick könnte demnächst endlich machbar sein. Ein internationales Team von Astronomen um John Monnier von der Universität Michigan hat jetzt die ersten Fotos von einem Stern gezeigt, auf denen seine Oberfläche zu erkennen ist. Der Durchbruch gelang ihnen durch Kombination von vier Infrarotteleskopen des Chara Interferometric Array der Georgia State University. Zusammen vergrößern sie so stark, als handle es sich um ein einzelnes Fernrohr mit einem ovalen Spiegel von 265 mal 195 Metern Durchmesser. Die erreichte Auflösung lag bei etwa 0,64 Millibogensekunden – über zehnmal besser als das Weltraumteleskop Hubble oder die modernsten Einzelteleskope auf der Erde.

Die Bilder zeigen den fast 17 Lichtjahre entfernten Stern Altair im Sternbild Adler. Sein Durchmesser liegt ungefähr beim 1,2-fachen der Sonne. Dennoch benötigt er für eine Rotation um die eigene Achse lediglich zehn Stunden (die Sonne hingegen über 25 Tage). Diese enorm schnelle Eigendrehung, bei der am Äquator Geschwindigkeiten von über zweihundert Kilometern pro Sekunde auftreten, sorgt für Fliehkräfte, die den Stern verfomen, sodass er uns wie ein Oval erscheint, das in der Mitte dicker als an den Polen ist. Und nicht nur die Form hat unter der Turborotation zu leiden, auch die Temperatur an der Oberfläche nimmt durch den größeren Abstand zum heißen Zentrum ab.

Schneller Kreisel | Eine Illustration von Altair, einem Stern, der so schnell um seine eigene Achse rotiert, dass er sich zu einem Ellipsoiden verformt. Astronomen gelang nun eine hoch aufgelöste Aufnahme, die sogar Details seiner Oberfläche erkennen lässt. Darauf zeigte sich zum Beispiel, dass die heißesten (hellsten) Regionen nahe der Pole liegen. Altair ist etwa eine Millionen Mal weiter von uns entfernt als die Sonne.
Grob betrachtet passen Theorie und Beobachtung damit gut überein. Als die Wissenschaftler ihre Daten jedoch mit den Modellrechnungen verglichen, stellten sie fest, dass zwischen beiden deutliche Unterschiede bestanden. Erst nachdem das Team den Parametern einige zusätzliche Freiheiten zugestanden, ließen Modell und Modelierter sich in Deckung bringen. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass die bisherige Vorstellungen von schnell rotierenden heißen Sternen noch nicht ausreichend nah an die Realität reichen.

Was die Sterne anders machen, als ihre Erforscher bislang vermuteten, ist auf Grundlage der vorliegenden Informationen nicht zu entscheiden. Eine Möglichkeit wäre, dass der Altair am Äquator schneller rotiert als an den Polen. Oder die Konvektionsströme, die durch die Wärmeunterschiede entstehen, verlaufen in diesen Regionen anders als bislang angenommen. Noch weiß niemand Bescheid. Aber nun kann man ja endlich nachsehen – und einen Punkt unter so manches Geheimnis der leuchtenden Punkte setzen.

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