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News: Das Christkind und die Cholera

Klimaveränderungen sorgen nicht nur für Überschwemmungen, sie fördern auch die Ausbreitung von Krankheiten: Die Cholera wütet besonders stark, wenn El Niño zuschlägt - allerdings erst seit 20 Jahren.
Es begann am 14. August 1892. Ein Sielarbeiter erkrankte an starkem Brechdurchfall. Wenige Wochen später waren über 8000 Hamburger tot – die Cholera hatte die Hansestadt erreicht und forderte vor allem in den Armenvierteln der Stadt ihren Tribut.

Inzwischen haben Choleraepidemien in Europa, die hier besonders im 19. Jahrhundert wüteten, ihren Schrecken verloren, doch auf dem indischen Subkontinent, wo die Infektionskrankheit seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert bekannt ist, schlägt der Erreger Vibrio cholerae nach wie vor regelmäßig zu. Wie seiner Zeit in Hamburg fördert vor allem eine mangelhafte Trinkwasserhygiene die rasche Ausbreitung der Epidemien.

Doch in letzter Zeit befürchten viele Wissenschaftler, dass auch andere menschengemachte Faktoren für solche Epidemien mit verantwortlich sein können. So hat sich Südostasien in den letzten hundert Jahren um zwei bis drei Grad Celsius erwärmt – vermutlich aufgrund der anthropogen bedingten Klimaerwärmung. Und tatsächlich verdichten sich die Hinweise für eine Zunahme von Infektionskrankheiten mit ansteigenden Durchschnittstemperaturen.

Im Jahr 2000 fanden Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Choleraepidemien in Bangladesch und dem Auftreten des Klimaphänomens El Niño. Ungefähr alle fünf Jahre erwärmt sich das Meer vor der peruanischen Küste besonders stark und führt damit regelmäßig zu Unwettern, Überschwemmungen und Dürren sowie zum Zusammenbruch der Fischerei. Da das gefürchtete Ereignis meist zum Jahresende auftritt, gaben die Fischer ihm den Namen "Chistkind" – El Niño.

El Niño beeeinflusst jedoch nicht nur das Klima Südamerikas, sondern betrifft die gesamte südliche Hemisphäre, sodass die Wissenschaftler von "El Niño/Southern Oscillation" (ENSO) sprechen. Und jedesmal wenn in jüngster Zeit die ENSO im Indischen Ozean besonders stark ausgeprägt war, brachen kurze Zeit später in Bangladesch Choleraepidemien aus.

ENSO-Ereignisse gehören allerdings zu natürlichen Klimaerscheinungen. Gab es daher den Zusammenhang zwischen dem "Christkind" und der Cholera also schon immer? Um diese Frage zu beantworten, wertete Xavier Rodó von der Universitat de Barcelona zusammen mit Kollegen aus den USA und aus Bangladesch historische Daten aus.

Die Wissenschaftler konnten den statistischen Zusammenhang zwischen ENSO und Choleraepidemien in Bangladesch bestätigen – allerdings nur für den Zeitraum von 1980 bis 2001. In den Perioden 1893 bis 1920 und 1920 bis 1940 ließ sich für das damalige Bengalen ein solcher Zusammenhang nicht nachweisen.

Die Forscher vermuten daher, dass die Kopplung zwischen der ENSO und Choleraepidemien erst in den jüngerer Zeit auftrat – seitdem sich ENSO-Ereignisse im Indischen Ozean verstärkt haben. "Neu an unserer Arbeit ist nicht der Nachweis, dass die ENSO eine Rolle für die Variabilität von Cholera spielt, sondern dass sich die Rolle der ENSO intensiviert hat", interpretiert Mercedes Pascual von der University of Michigan die Ergebnisse. Und da der Mensch weiterhin an der Klimaschraube dreht, werden – so befürchtet sie – in Zukunft immer mehr Menschen in Bangladesch an Cholera sterben.

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