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News: Das dicke Fell des Hirns

Unser Gehirn will auch nicht alles mitkriegen. Schließlich ist nicht jeder Reiz, den unsere Nervenendigungen aufschnappen, tatsächlich für uns von Bedeutung. Ein Filtermechanismus, der unsere Wahrnehmung vor irrelevanten Signalen schützt, liegt in unserem Unterbewusstsein.
Somatosensorischer Cortex
Unsere Nerven und Sinneszellen sind ständig damit beschäftigt, Reize aus unserer Umgebung aufzunehmen und zu verarbeiten. Die bunten Bilder im Fernseher betrachten, dabei ein Bier trinken und telefonieren; alles kein Problem, denn unsere Nerven behalten den Überblick und sagen uns, was "draußen" los ist.

Nicht jeder Reiz, den unsere Nervenzellen aufnehmen und verarbeiten, dringt dabei tatsächlich in unser Bewusstsein. Und das ist auch gut so. Denn schließlich soll unser Gehirn die wesentlichen Reize von den unwichtigen unterscheiden können. Aber wie sorgt das Gehirn dafür, dass unsere Aufmerksamkeit nicht komplett in einer Flut von Reizen untergeht?

Felix Blankenburg und seine Kollegen vom Berlin Neuro Imaging Centre der Charité wollten genauer wissen, wie unser Gehirn die Reize oberhalb und unterhalb der Bewusstseinsschwelle verarbeitet. Dazu stimulierten sie die Finger von Testpersonen mit schwachen elektrischen Impulsen und ermittelten deren Hirnaktivität durch funktionelle Kernspinresonanz-Tomographie (fMRI). Mit dieser Methode, die den Sauerstoffverbrauch bestimmter Hirnregionen sichtbar macht, konnten die Forscher genau verfolgen, welche Aktivität die Reize in den Bereichen des somatosensorischen Cortex auslösen – also jenem Teil der Großhirnrinde, der uns Druck, Berührungen und Schmerz meldet.

Zunächst reizten die Wissenschaftler die Finger der Testpersonen mit unterschwelligen Impulsen, welche die Personen nicht spürten und die auch in der fMRI nicht als Hirnaktivität sichtbar wurden. In einem zweiten Experiment streuten die Wissenschaftler stärkere Reize, die von den Testpersonen deutlich wahrgenommen wurden, in die unterschwelligen Signalimpulse ein.

Es zeigte sich, dass die Versuchspersonen den Reiz am Finger schwächer empfanden, wenn ihm ein unterschwelliger Impuls vorausgegangen war. Auch in der fMRI wurde deutlich, dass die Hirnaktivität im Hand-Areal der Hirnrinde nach den unterschwelligen Reizen geringer ausfiel.

Offenbar können sich Reize, die unterhalb unserer Bewusstseinsschwelle liegen, hemmend auf die Aktivität desselben Hirnzentrums auswirken. Denn die unterschwelligen Reizimpulse lösten zwar allein keine Hirnaktivität aus, senkten jedoch messbar den Sauerstoffverbrauch in der entsprechenden Hirnregion. Mit anderen Worten: Die unterschwelligen Signale hoben die sensorische Wahrnehmungsschwelle der Testpersonen an. Doch warum sollten sich manche Reize hemmend auf die Wahrnehmung anderer Signale auswirken? Die Neurowissenschaftler der Charité; vermuten, dass sie dem Gehirn helfen, zwischen irrelevanten und relevanten Außenreizen zu unterscheiden. Eine Art Schutzmechanismus also. "Man könnte es mit dem 'Bitte-nicht-stören'-Schild in einem Hotel vergleichen", sagt Matthias Moosmann aus der Arbeitsgruppe des Neuro Imaging Centre. "Das Gehirn hat sich mit diesem Mechanismus sozusagen ein 'dickes Fell' zugelegt, um nicht wegen allem gestört und abgelenkt zu werden."

Auch Signale aus anderen Hirnregionen, die manchmal spontan entstehen, ohne dass überhaupt eine Reizung von außen stattgefunden hat, würden so herausgefiltert. Die Wahrnehmungsschwelle wird dabei aber lediglich angehoben. Sehr starke Reize, wie beispielsweise bei Gefahr, kommen immer noch rechtzeitig bei uns an.

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