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News: Das Erdmagnetfeld im Labor

Der flüssige Erdkern wirkt durch die Erdrotation wie ein gigantischer Dynamo und erzeugt so das Magnetfeld unseres Planeten. Kein Geophysiker zweifelte an dieser Theorie, doch der experimentelle Nachweis blieb lange Zeit aus. In einem Großexperiment haben Wissenschaftler nun das erste Mal ein Erdmagnetfeld im Labor simuliert. Sie konstruierten dafür ein Versuchsaufbau, mit dem sie Materieströme wie im Erdinneren zirkulieren lassen konnten. Anstelle der im Kern vermuteten Metalle Eisen und Nickel verwendeten sie 150 Kubikmeter flüssiges Natrium. Es gelang den Wissenschaftlern damit erstmals, ein sich selbst stabilisierendes Magnetfeld aufzubauen.
Das Erdmagnetfeld schützt uns vor dem Beschuß von geladenen Teilchen aus dem All und dient sowohl Menschen als auch Tieren als Richtungswegweiser. Wie das Magnetfeld entsteht, glauben die Geophysiker seit langem zu wissen: Da der Erdkern aus heißen geschmolzenen Metallen besteht, ist das Erdmagnetfeld nicht einfach ein Permanentmagnet. Stattdessen lassen die Erdrotation und Konvektionsströmungen – heißes Material steigt nach oben, kaltes sinkt nach unten – die geschmolzenen Metalle im Kern schraubenförmige Bewegungen ausführen. Durch diese Metallströme entsteht ein sich selbst erhaltendes Magnetfeld, das bereits seit mindestens 3,6 Milliarden Jahren existiert. Die Erde wirkt so wie ein gigantischer Dynamo. Da die hierfür nötige Energie aus der Rotationsenergie der Erde und den Strömungen im Inneren stammt, bezeichnet man es als Geodynamo.

Das theoretische Modell konnten die Wissenschaftler bis vor kurzem nicht beweisen, da es kaum möglich war, die irdischen Verhältnisse in kleinem Maßstab nachzustellen. Nun haben Wissenschaftler vom Forschungszentrum Karlruhe unter Leitung von Robert Stieglitz ein 13,5 Millionen Mark teures Großexperiment durchgeführt. Es sollte beweisen, daß eine rotierende, elektrisch geladene Flüssigkeit ein sich selbst stabilisierendes Magnetfeld erzeugen kann.

Die Physiker ließen dafür 150 Kubikmeter flüssiges Natrium durch ein sogenanntes Dynamomodul zirkulieren. Durch den vergleichsweise kleinen Maßstab entsteht aber weder eine natürliche Konvektion, noch wirkt eine hinreichendstarke Corioliskraft. Deshalb besteht das zwei Meter dicke Modul aus drei Kreisläufen – einer komplizierte Anordnung von Pumpen, Ventilen und Rohrleitungen, in denen das Natrium mit 130 Grad Celsius zirkuliert. Die Zirkulationswege ähneln dabei den vermuteten Bahnen im Erdinneren. Das Alkalimetall Natrium eignet als Ersatz für die geschmolzenen Metalle des Kerns am besten, da es bereits bei 97 Grad Celsius flüssig wird. Insgesamt benötigt der Versuchaufbau mehrere Ebenen in der Versuchshalle des Instituts für Kern- und Energietechnik in Karlsruhe.

Im Versuch zeigten die Meßinstrumente tatsächlich nach kurzer Zeit ein stabiles Magnetfeld an, das seine Position innerhalb der Versuchsanordnung in den ersten zehn Minuten nur wenig veränderte. Damit gelang es weltweit das erste Mal, das Erdmagnetfeld im Labor zu simulieren. "Wir haben uns über fünf Jahre lang vorbereitet", sagt Robert Stieglitz. "Für das Experiment bestand am Forschungszentrum eine einmalige Chance, weil aus der früheren Brutreaktorentwicklung noch sehr viel Know-how über das Verhalten von flüssigem Natrium besteht. In ein paar Jahren wird dieses Wissen durch Pensionierungen verloren gehen." In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler das Experiment wiederholen und dabei komplexere Prozesse untersuchen.

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