Geschichte: Das frühe Südamerika
Die Geschichte Südamerikas weist deutlich größere Lücken auf als die anderer Erdteile. Ein Grund dafür ist, dass keine der Hochkulturen aussagekräftige Schriftdokumente hinterlassen hat – die ersten Berichte stammen von den europäischen Konquistadoren und Priestern des 16. Jahrhunderts. So blieben lange nur archäologische Ausgrabungen, um die Lebensweise der längst untergegangenen Kulturen zu rekonstruieren.
Nun eröffnen Genanalysen von 89 einstigen Bewohnern ein neues Fenster in die Vergangenheit des Südkontinents. Die menschlichen Überreste sind zwischen 500 und 9000 Jahre alt und stammen von verschiedenen Fundorten im Andenraum. 65 von ihnen wurden erstmals analysiert, wie das internationale Forscherteam um Nathan Nakatsuka von der Harvard Medical School in »Cell« berichtet.
Die Studie zeichnet das Bild eines Kontinents, der lange Zeit von weitgehend isolierten Kulturen bewohnt war: Bereits vor 9000 Jahren unterschieden sich die Genpools von Hochland- und Küstenregionen deutlich. Vor 5800 Jahren spalteten sich dann auch die Bewohner der Anden in eine nördliche und südliche Kultur auf.
Anschließend scheint es eine Zeit lang zu verstärktem Austausch zwischen den Volksgruppen gekommen zu sein, der jedoch vor 2000 Jahren zum Erliegen kam: Für 1500 Jahre, bis zur Blüte des expansiven Inkareichs, scheinen sich die Populationen kaum noch vermischt zu haben. Und das, obwohl in dieser Zeit Hochkulturen wie die Nasca auf den Plan traten. Erklären ließe sich das, mutmaßen die Forscher, wenn die damaligen Imperien ihre Dominanz auf indirektem, kulturellen Weg ausübten, also ohne mit Armeen dauerhaft andere Landstriche in Beschlag zu nehmen.
Eine Ausnahme scheint neben den Inka auch die Tiwanaku-Kultur gewesen zu sein: Genproben aus den Metropolen der beiden präkolumbischen Völker weisen jeweils eine große Diversität auf. Einige der Bewohner stammten offenbar aus mehr aus 1000 Kilometer entfernten Regionen, starben dann jedoch in Machu Picchu oder anderen Städten der damaligen Zeit. Aus Sicht der Forscher ein Indiz für weit reichende Handelsverbindungen und eine kosmopolitische Lebensweise.
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