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News: Das Geld wird nicht im Schlaf verdient

In der Wirtschaft gibt es immer wieder Tricks und Kniffe, die das Portemonnaie aufbessern sollen: So kamen findige Financiers irgendwann auf die Idee, Geldgeschäfte über nacht bwickeln zu lassen - sicherheitshalber mit Begrenzung, falls die Kurse wider Erwarten doch mal in die Höhe klettern sollten. Eigentlich sollte laut Vermutung der Erfinder aber das Gegenteil der Fall sein. Die Idee erfreut sich in Wirtschaftskreisen einiger Beliebtheit. Chemnitzer Wissenschaftler fanden nun aber heraus, dass sie nicht funktioniert.
Sie ist eine des beliebtesten Produkte des Devisenmanagements: die so genannte Overnight Order. Die Finanzexperten verstehen darunter einen limitierten und befristeten Kauf- oder Verkaufsauftrag für Devisen. Will man etwa Dollar kaufen, dann gibt man abends eine Overnight Order mit einem sehr niedrigen Limit bei seiner Bank auf. Natürlich nur dann, wenn die Hoffnung besteht, dass der Kurs über Nacht noch einmal einen kräftigen Ausschlag nach unten macht. Kommt es wirklich dazu, dann führt die Bank die Order aus. Und wenn am nächsten Morgen der Dollar schon wieder "fester" ist, hat man billig eingekauft, ohne selbst die ganz Nacht wach gewesen sein zu müssen.

"Bei Unternehmen werden Overnight Orders immer beliebter, denn sie wollen damit ihre Ertragslage auf einfache Weise verbessern", weiß der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen von der Technischen Universität Chemnitz. Und auch bei den Banken sei die Overnight Order beliebt. Denn tagsüber sind die Margen im Devisenhandel durch den harten Wettbewerb extrem niedrig geworden. Nachts, wenn keiner aufpasst und der Kunde darüber hinaus den Auftrag schon definitiv gegeben hat, kann man wesentlich größere Spannen nehmen und "richtig" Geld verdienen.

Ein Geschäft, das für alle Seiten vorteilhaft ist – kann es so etwas geben? Da tauchten nicht nur bei den Wirtschaftswissenschaftlern Zweifel auf. Auch der Mathematiker Bernd Hofmann ebenfalls von der Technischen Universität Chemnitz und seine Mitarbeiter blickten skeptisch auf den vermeintlichen Erfolg der Overnight Order.

Mit Hilfe des Instrumentes der stochastischen Prozesse kamen die beiden Mathematiker Hans-Jörg Starkloff und Ralf Wunderlich der Antwort schnell näher: Wechselkursverläufe können empirisch als so genannte "Wiener-Prozesse" oder "geometrischen Brownsche Bewegungen" beschrieben werden, so Starkloff. Diese stochastischen Prozesse haben die Eigenschaft, dass von einem beliebigen Zeitpunkt aus gesehen, der weitere Verlauf einem Zufallspfad mit Martingal-Eigenschaft entspricht.

Im Klartext heißt das: Zu welchem Kurs auch immer ein Kaufauftrag ausgeführt wird, die zukünftigen Kurse schwanken symmetrisch um diesen Kurs, und mit gleicher Wahrscheinlichkeit stellt sich der zukünftige Kauf als günstig und ungünstig heraus. In der Konsequenz hat man mit Overnight Orders zwar nichts verloren, aber auch nichts gewonnen, schätzen Thießen und Hofmann. Die Overnight Order sei ein Geschäft mit einem Erwartungswert von Null. "Sie nützt nichts, schadet aber auch nichts, wenn man von den üppigen Margen der Banken einmal absieht", meint Thießen.

Warum aber wird die Overnight Order dann so gerne von Devisenhandelsabteilungen vieler Unternehmen aufgegeben? Diese Frage ging eigentlich über das Interesse der Forscher hinaus. Eine interessante Hypothese entwickelten die Chemnitzer dennoch: Die Erklärung könnte darin liegen, dass die Devisenhandelsabteilungen die Overnight Order benutzen, um ihre Erfolgsbilanz ein wenig aufzubessern. Sie messen den in der Nacht realisierten Kurs der Overnight Order nicht an den Wechselkursen des nächsten Tages, was eigentlich richtig wäre, sondern an einem Vortagsreferenzwert. Sie zählen die in der Nacht erzielten Erfolge also zum Vortag und nicht zum kommenden Tag. Deshalb geben die Forscher den Unternehmensleitungen den Tipp, den Erfolg ihrer Devisenhandelsabteilungen kritisch zu hinterfragen. "Nur dann, wenn der Devisenhändler überdurchschnittliche prognostische Fähigkeiten besitzt, ist die Overnight Order sinnvoll", rät Thießen.

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  • Quellen
Technische Universität Chemnitz

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