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Klimawandel: Das große Sterben?

Alle Welt redet über schmelzende Eisschollen und sterbende Eisbären, weil der Planet sich erwärmt. Eine noch weitaus größere ökologische Katastrophe könnte jedoch kleinen Tieren in den Tropen drohen: massenhafter Tod durch Hitzschlag.
Tropischer Blattkäfer
Keiner symbolisiert das Schicksal der Tierwelt im Treibhaus Erde wohl besser als der Eisbär: Dem weißen Riesen schmilzt sein eisiger Lebensraum förmlich unter den Pfoten weg. Er verhungert, da ihm ohne Packeis die Robbenjagd schwerer fällt, oder ertrinkt, weil der Weg von Scholle zu Scholle im aufgeheizten Ozean lang und länger wird. Schon gilt Ursus maritimus als erstes prominentes Opfer der Erderwärmung, das allenfalls noch im Zoo überleben könnte, weil sich sein ursprünglicher Lebensraum radikal verändert.

Doch obwohl sich der Klimawandel gegenwärtig vor allem in der Arktis für alle offensichtlich zeigt – laut Curtis Deutsch von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen dürfte sich bald im Süden eine weit größere Tragödie für die Artenvielfalt abspielen. In den Tropen leben Millionen Insektenarten in den Regen- und Trockenwäldern, Sümpfen und Savannen, die als wechselwarme Lebewesen vollständig von den äußeren Bedingungen abhängen: Bewegung, Wachstum und selbst der Geschlechtstrieb benötigen eine bestimmte Betriebstemperatur, ohne die sie nicht in die Gänge kommen.

Zu heiß für Wechselwarme?

Außerhalb der Gebirge wird das dafür nötige Minimum zumeist mühelos erreicht. Kaum jemand weiß aber, dass es auch einen kritischen Maximalwert gibt – jenseits davon steht die Überlebensfähigkeit der Kerfe ebenfalls auf dem Spiel, warnt nun Deutschs Team. Denn im Gegensatz zu außertropischen Spezies, die im Jahresverlauf meist große Temperaturschwankungen hinnehmen müssen, existieren tropische Käfer oder Schmetterlinge unter meist konstanten Bedingungen, an die sie sich im Verlauf der Evolution optimal angepasst haben – mit wenig Spielraum nach unten oder oben.

Tropischer Nashornkäfer | Millionen Insektenarten in den Tropen könnte das Aus drohen: Steigende Temperaturen überfordern ihren biologischen Lebenswandel.
Erwärmen sich die Tropen auch nur um zwei Grad Celsius in den nächsten Jahrzehnten – ein durchaus realistisches Szenario und deutlich weniger, als etwa für arktische Gefilde prognostiziert –, könnte dies einen großen Teil der lokalen wechselwarmen Fauna überfordern. Zumindest legen dies die Computersimulationen der Wissenschaftler nahe, die den potenziellen Temperaturanstieg mit dem Fortpflanzungserfolg zahlreicher Insektenarten verglichen: Um bis zu zwanzig Prozent könnte demnach die Nachwuchsrate mancher Kerbtiere zurückgehen, weil sie stärker mit dem individuellen Überleben beschäftigt sind, statt sich um das Fortbestehen der Art zu kümmern.

Außerdem, so Deutsch, beträgt die Hitze-Toleranz der tropischen Insekten nur ein Fünftel dessen, was Kerfe in höheren Breiten aushalten können. Jedes Zehntel Grad Erwärmung bringt sie also deutlich schneller an den kritischen Schwellenwert des Überlebens. Ein Problem, das so ähnlich auch Reptilien und Amphibien drohen könnte, deren Vitalität ebenfalls von den äußeren Bedingungen abhängt. Wie bei den Insekten weisen die tropischen Vetreter dieser Wirbeltiergruppen die geringste Erhitzungstoleranz auf und drohen daher zukünftig starken Schaden zu nehmen – zumal viele der betroffenen Arten in engen ökologischen Nischen oder kleinen Verbreitungsgebieten leben, aus denen sie wegen der ungebremsten Zerstörung der Lebensräume kaum abwandern können. Schaden nehmen könnten dann auch große Teile der Flora, wenn Bestäuber ausfallen oder Fressfeinde überhandnehmen.

Sterben da, Plagen dort?

Allerdings dürfte beim Schicksal der Insekten das letzte Wort noch nicht gesprochen sein, mussten sich doch Käfer und Co in den letzten Jahrtausenden vielfach klimatischer Schicksalsschläge erwehren und sich entsprechend anpassen. Angesichts der rasanten Generationsdauer der kurzlebigen Krabbeltiere könnten sie sich vielleicht schon in Jahrzehnten an die Erwärmung gewöhnen und so eine große Aussterbewelle vermeiden. Schwieriger dürfte es allerdings für Arten werden, die sich über längere Zeitspannen hinweg fortpflanzen müssen oder in kleinen Habitaten vorkommen, die kaum Ausweichmöglichkeiten besitzen. Nebelwälder beispielsweise können nicht unbegrenzt gipfelwärts ausweichen.

Wie so häufig in der Natur existieren allerdings gleichermaßen Krisengewinnler: In den gemäßigten Breiten können die Kerbtiere die steigenden Temperaturen wohl ausnützen und ihren Fortpflanzungserfolg steigern. Während den Tropen also vielleicht ein Teil der Insekten abhanden kommt, häufen sich im Norden die Insektenplagen – keine schönen Aussichten.

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  • Quellen
Deutsch, C. et al.: Impacts of climate warming on terrestrial ectotherms across latitude. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, 10.1073.pnas.0709472105, 2008.

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