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News: Das Klima aus der Luftdruckschaukel

Im Laufe der Erdgeschichte haben Veränderungen der Umlaufbahn unseres Planeten um die Sonne immer wieder grundlegend die Luftdruckschaukel beeinflusst, die für Europa wetterbestimmend ist. Inzwischen greifen auch die vom Menschen verursachten Treibhausgase tief ins Geschehen ein.
NAO
Für unsere Breiten bestimmt vor allem ein Klimaphänomen das Geschehen: die Nordatlantische Oszillation (NAO). Dabei handelt es sich um eine Art Luftdruckschaukel, in der die Druckverhältnisse über den Azoren zum einen und Island zum anderen Wetter und Witterung in Europa beeinflussen. Die Werte zeigen langfristige Trends, und in den vergangenen Jahrtausenden prägten die Erdbahnparameter die Verhältnisse deutlich mit.

Differenz der Lufttemperaturen | Differenz der bodennahen Lufttemperatur im Winter zwischen der letzten Zwischenwarmzeit (Eem-Zeitalter) und heute. Der höhere Luftdruckunterschied zwischen subtropischen und subpolaren Regionen (NAO-Index) führt zu kälteren Wintern im Nahen Osten und relativ warmen Wintern in Europa.
Und inzwischen hat auch der Mensch seine Finger kräftig im Spiel, wie deutsche und jordanische Klimawissenschaftler um Thomas Felis und Gerrit Lohmann von der Universität Bremen sowie Stephan Lorenz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg jetzt feststellten. Die Forscher hatten Proben aus Korallenriffen im Golf von Aqaba am Roten Meer ausgewertet, die aus der Zwischenwarmzeit vor der letzten Eiszeit vor etwa 122 000 Jahren, aus dem späten Holozän vor 3000 Jahren sowie aus den letzten 250 Jahren stammten. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen hochaufgelösten Proxy-Daten (Stellvertreter-Daten) war es möglich, jahreszeitliche Temperaturschwankungen in dieser Region über lange Zeiträume nachzuvollziehen.

NAO-Indices | NAO-Index während der letzten Zwischenwarmzeit (links), beeinflusst durch die jahreszeitliche Änderung der Sonneneinstrahlung auf der Erde, sowie seit dem Jahr 1820 (rechts), beeinflusst durch den anthropogenen Ausstoß von Treibhausgasen. Beide Effekte verändern den NAO-Index in vergleichbarer Größenordnung.
Dabei zeigte sich, dass in der damaligen Warmzeit im Nahen Osten wärmere Sommer und kühlere Winter als heute auftraten. Das steht im Einklang mit einem veränderten Jahresgang der Sonneneinstrahlung, der durch eine stärkere Achsenneigung sowie eine größere Exzentrizität der Erdbahn um die Sonne während der Zwischenwarmzeit des Eem-Zeitalters ausgelöst wurde und die NAO entsprechend beeinflussten. Aus anderen Messdaten, die aus mitteleuropäischen Regionen der damaligen Erdperiode stammen, weiß man zudem, dass die Winter dort – trotz geringerer Sonneneinstrahlung – milder waren als heute.

Am Max-Planck-Institut für Meteorologie haben die Wissenschaftler diese klimatischen Vorgänge mit Hilfe des gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Zirkulationsmodells ECHO-G simuliert. Dieses Rechenmodell wurde zur Erforschung des zukünftigen Klimas entwickelt und ist auch eines jener Modelle, die derzeit vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) für die Vorhersage zukünftiger Klimaschwankungen genutzt werden. Doch jetzt konnten sie zum ersten Mal eine auf Messdaten gestützte Simulation über einen Zeitraum von mehr als 140 000 Jahren mit einem solchen hochkomplexen Klimamodell durchführen.

Diese Simulation der Erdvergangenheit berücksichtigt die astronomisch ausgelösten Veränderungen der jahreszeitlichen Sonneneinstrahlung, die schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem serbischen Mathematiker Milutin Milankovic berechnet wurden und seit langem als so genannte Milankovic-Theorie auch als Ursache der Eiszeiten diskutiert werden. Für die vergangenen 200 Jahre (von 1800 bis 2000 n. Chr.) berücksichtigt das Modell zudem den anthropogen verursachten Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen. Im Modell sind das Kohlendioxid, Distickstoffoxid und Methan sowie die Chlor-Fluor-Kohlenwasserstoffe.

Hierbei zeigte sich, dass das Rechenmodell sehr gut in der Lage ist, die Ergebnisse der Proxy-Daten aus den Korallenablagerungen nachzuvollziehen. Die Modellrechnungen ergaben, dass verhältnismäßig große Druckunterschiede über dem Nordatlantik und die daraus resultierenden starken Westwinde in Mitteleuropa mildere Winter auslösen, während sie im Nahen Osten zu kälteren Wintern führen. Veränderungen der Nordatlantischen Oszillation in der Erdvergangenheit lassen sich eindeutig auf Schwankungen der Erdbahn um die Sonne zurückführen. Und die kombinierte Analyse der Proxy- und der Modelldaten brachte zudem ans Licht, dass das für das regionale Klima in Europa und dem Nahen Osten so wichtige Phänomen der Nordatlantischen Oszillation schon sehr viel länger wirksam ist als bisher angenommen.

Darüber hinaus konnten die Forscher mit Hilfe ihres Klimamodells nachweisen, dass sich die Luftdruckschaukel im Nordatlantik im 20. Jahrhundert in vergleichbarer Größenordung verändert hat wie seinerzeit unter den Bedingungen einer veränderten Erdumlaufbahn. Die heutige Tendenz zu milderen Wintern in Mitteleuropa wird demnach zu einem erheblichen Anteil durch den Ausstoß der menschgemachten Treibhausgase ausgelöst.

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