Nancy-Roman-Grace-Teleskop: Das neue Weltraumteleskop der NASA wird vielleicht nie abheben

Das neueste astrophysikalische Flaggschiff der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA steht kurz vor der Fertigstellung. Das mit Spannung erwartete 3,5-Milliarden-Dollar-Observatorium mit dem Namen Nancy-Grace-Roman-Weltraumteleskop (kurz: Roman) könnte die Geheimnisse des dunklen Universums lüften, unbekannte Welten aufspüren und den Weg zur Entdeckung außerirdischen Lebens ebnen. Es wartet nur noch auf die abschließende Prüfung, eine kurze Reise nach Cape Canaveral in Florida und eine längere Reise zu einer Umlaufbahn um die Sonne in der Nähe des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST). Laut aktuellen Planungen könnte es bereits im Herbst 2026 starten, also weit vor dem ursprünglich für Mai 2027 geplanten Termin – und es könnte sogar unter dem vorab kalkulierten Budget bleiben.
Doch ein durchgestochener Entwurf des Haushaltsentwurfs für 2026, der »Scientific American« vorliegt, sieht stattdessen die Streichung vor.
»Das ist völlig verrückt. Das Teleskop wurde gebaut, und nun soll ausgerechnet der letzte Schritt nicht getan werden«, sagt der Astrophysiker David Spergel, Präsident der Simons Foundation und ehemaliger Kovorsitzender des Roman-Wissenschaftsteams. »Das ist eine absurde Verschwendung von Steuergeldern.«
Kürzungen bei der NASA vorgesehen
Das Roman-Teleskop, benannt nach der ersten Chefastronomin der US-Weltraumbehörde, ist nicht das einzige Opfer im Entwurf des US-Präsidenten Donald Trump für den NASA-Haushalt, über den noch abgestimmt werden muss. Der aktuelle Vorschlag sieht erhebliche Kürzungen in der 25 Milliarden Dollar schweren Wissenschaftsabteilung der Raumfahrtbehörde vor, die für Missionen wie das JWST, die beiden Voyager-Sonden, das Hubble-Weltraumteleskop und eine Flotte von Marsrovern zuständig ist. All diese Instrumente haben unser Verständnis des Kosmos geformt und seit einem halben Jahrhundert weltweit die Fantasie beflügelt.
Der Haushaltsentwurf enthält eine fast 50-prozentige Kürzung der Mittel für die Erforschung der Sonne und des Weltraumwetters; eine mehr als 50-prozentige Kürzung der Mittel für die Geowissenschaften, zu denen auch die Klimaüberwachung gehört; und eine 30-prozentige Kürzung der Mittel für die Planetenforschung und die Erforschung des Sonnensystems. Das bedeutet das Aus für die bevorstehende DAVINCI-Mission (Deep Atmosphere Venus Investigation of Noble gases, Chemistry, and Imaging) zur Venus und für die bereits begonnene NASA-Mission zur Rückholung von Gestein vom Mars. Bemerkenswert ist, dass in dem Dokument auch zwei Drittel der Mittel für die Astrophysik-Abteilung der NASA, die sich mit Sternen, Galaxien und Kosmologie befasst, gestrichen werden, und zwar auf nur noch 487 Millionen Dollar (umgerechnet etwa 429 Millionen Euro).
Beobachter der Weltraumpolitik äußerten sich bestürzt über die Kürzungen, insbesondere über die Vorstellung, ein Vorzeige-Weltraumteleskop wie das Roman wegzuwerfen. »Das ist ein völlig unseriöser Vorschlag«, sagte Senator Chris Van Hollen aus Maryland, das ranghöchste Mitglied des Ausgabenausschusses für die NASA, in einer kürzlich veröffentlichten Erklärung.
Hinter vorgehaltener Hand haben sich Raumfahrtexperten noch deutlicher empört: »Trump wirft ein Programm zurück, das eindeutig führend in der Welt ist – auf historische Weise«, sagt ein ehemaliger Regierungsbeamter, der nur anonym mit »Scientific American« spricht, weil er Repressalien befürchtet. Es sei wie eine Hinrichtung – per Kopfschuss.
»Wenn man die erfolgreichsten Forschungsinstrumente, die je gebaut wurden, und die Führungsriege, die diese begleitet, wegwerfen will, dann ist dies der richtige Haushalt dafür«hochrangiger Raumfahrtwissenschaftler, der anonym bleiben möchte
Die NASA selbst hat bislang noch nicht öffentlich Stellung dazu genommen. Ein Sprecher der Behörde erklärte lediglich, dass der Entwurf vorliege »und man mit dem Beratungsprozess begonnen hat«. Die Behörde erhielt den Haushaltsplan am 10. April, einen Tag nachdem Jared Isaacman, Trumps Kandidat für das Amt des NASA-Administrators, in seiner Nominierungsanhörung darauf bestand, dass die USA mit dem derzeitigen NASA-Budget Menschen zum Mond und zum Mars schicken und »all die anderen Dinge tun« könnten. »Ich glaube, der Präsident will das goldene Zeitalter der Wissenschaft und der Entdeckungen einläuten«, sagte Isaacman.
»Wenn man die erfolgreichsten Forschungsinstrumente, die je gebaut wurden, und die Führungsriege, die diese begleitet, wegwerfen will, dann ist dies der richtige Haushalt dafür«, sagt ein hochrangiger Raumfahrtwissenschaftler, der aus Sorge vor haushaltspolitischen Vergeltungsmaßnahmen der Trump-Regierung ebenfalls anonym bleiben möchte. »Dieser Haushalt ist wie ein misslungenes Sandwich ohne Gurken. Du bekommst nicht einmal den Teller!«
Trump versucht zum vierten Mal, das Roman-Teleskop einzustellen
Es ist nicht das erste Mal, dass das Weiße Haus unter Trump versucht, das Roman-Teleskop zu streichen – es ist bereits das vierte Mal. Aber bislang hat der Kongress das Programm stets am Leben erhalten. Beobachter sind zuversichtlich, dass das Teleskop erneut gerettet wird, da die Raumfahrt traditionell von Demokraten wie auch Republikanern unterstützt wird.
Im Jahr 2020 gab die NASA dem Projekt, das bis dahin Wide-Field Infrared Survey Telescope (WFIRST) hieß, den Namen Nancy Grace Roman. Die Astronomin spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Hubble-Teleskops. Das Roman-Teleskop gilt seit einer Überprüfung durch die National Academy of Sciences im Jahr 2010 als eine der höchsten Prioritäten in der Astrophysik – ein Status, der zwei Jahre später noch verstärkt wurde, als das US National Reconnaissance Office (NRO), das Spionagesatelliten baut und betreibt, zwei große, ungenutzte Spiegel und die dazugehörigen Optiken für die Mission stiftete.
Die beiden je 2,5 Meter breiten Spiegel wurden für die Beobachtung der Erde entwickelt und sind genauso groß wie die von Hubble. Sie haben jedoch eine kürzere Brennweite und eignen sich daher besser für weiträumige Durchmusterungen, bei denen Millionen von Sternen beobachtet werden und ein umfassender Blick auf explodierende Sterne, frühe Galaxien und großräumige kosmologische Strukturen geworfen wird. »Das ist wie 200 Hubbles«, sagt Spergel. »Wir werden den gesamten Himmel mit Bildern in Hubble-Qualität vermessen.«
Ursprünglich hatte das Projekt die Budgetplanung deutlich gesprengt, doch nach einer Kurskorrektur ist das Team derzeit auf dem besten Weg, das Roman-Teleskop kostengünstiger als gedacht und noch vor dem geplanten Start im Jahr 2027 fertig zu stellen. Dies folgt auf die wiederholte Kritik durch die Überwachungsbehörden an den Budget- und Zeitplanüberschreitungen für große Raumfahrtmissionen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten.
»Das Team sollte eine Würdigung erhalten und nicht verprügelt werden«, sagt der ehemalige Regierungsbeamte. »Das ist es, was wir erreichen wollen.«
Wie das JWST sieht das Roman-Teleskop das Universum im Infraroten – das bedeutet, dass es sehr alte, weit entfernte Objekte erkennen kann, deren Licht sich bei der Durchquerung des Universums in längere, rötlichere Wellenbereiche ausgedehnt hat. Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ziele der Mission ist es, die Dunkle Energie zu verstehen, jene geheimnisvolle Kraft, die das Universum auseinandertreibt.
Internationale Kooperationen gefährdet
»Das Roman-Teleskop hat die Empfindlichkeit, die wir brauchen, um zu untersuchen, was in den 70 Prozent des Universums vor sich geht, die wir bislang nicht verstehen«, sagt Spergel. Jüngst veröffentlichte Ergebnisse anderer Missionen deuten darauf hin, dass diese noch immer rätselhafte Dunkle Energie überraschenderweise mit der Zeit schwächer werden könnte. Das Roman-Teleskop soll das Euclid-Teleskop der Europäischen Weltraumorganisation ESA ergänzen, das ähnliche Beobachtungen bei visuellen Wellenlängen durchführt, sowie das leistungsstarke, bodengestützte Vera C. Rubin Observatory, das noch in diesem Jahr in Chile in Betrieb genommen wird.
»Keine dieser Missionen tut dasselbe«, sagt Henk Hoekstra, ein Astronom von der Universität Leiden in den Niederlanden, der sich mit Dunkler Energie beschäftigt. »Würden Sie einem einzigen Ergebnis vertrauen und unser gesamtes Verständnis des Universums auf nur diese eine Messung aufbauen?« Außerdem würde die Einstellung des Roman-Teleskops nicht nur das Fachwissen untergraben, sondern auch die internationale Zusammenarbeit beeinträchtigen. Damit die weiterhin funktioniert, betont Hoekstra, müssen die internationalen Partner darauf vertrauen können, dass »nicht plötzlich der Hahn zugedreht und gesagt wird: ›Wir werden das entgegen den Absprachen doch nicht tun‹.«
Doch viele der im Haushaltsentwurf vorgeschlagenen Streichungen haben genau das zum Ziel.
»Warum planen wir überhaupt großartige Dinge, wenn wir aus einer Laune heraus einfach plötzlich ›Nein« sagen können?«, sagt der anonym sprechende, leitende Weltraumwissenschaftler. »Diese Geräte brauchen eine Generation, um gebaut zu werden, und ermöglichen es anschließend mehreren Generationen von Forschenden, den Horizont des Weltwissens zu erweitern. Sie sollten nicht leichtfertig weggeworfen werden.«

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