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News: Das Rezept für einen Home-run

Die Welt verdankt mindestens zwei Drittel ihres Wissens den anonymen amerikanischen Wissenschaftlern. Zumindest vermitteln uns die Medien mitunter diesen Eindruck. Aber auch der fleißigste texanische Forscher braucht am Wochenende ein wenig Entspannung und genießt - um im Klischee zu bleiben - mit seiner ganzen Familie ein zünftiges Baseballspiel. Weil es allerdings nicht immer so einfach ist abzuschalten und der Ball so schön mit viel kinetischer Energie auf seiner Parabel zum inelastischen Stoß mit dem Holz des Gegenspielers fliegt...
Alan M. Nathan stammt zwar nicht aus Texas, sondern von der University of Illinois in Urbana-Champaign, doch ein Baseballspiel lässt er sich nur höchst ungern entgehen. Seine Begeisterung für den Sport reicht so weit, dass der Kernphysiker auf dem Jahrestreffen der American Association for the Advancement of Science seinen Vortrag ganz den Vorgängen in jenen Millisekunden gewidmet hat, wenn Ball und Schläger aufeinander prallen.

"Die Dynamik des Balls können Sie sich wie bei einer einfachen Feder vorstellen", beginnt Nathan. "Die Kraft zwischen dem Schläger und dem Ball drückt die Feder zusammen, wobei die kinetische Energie der Bewegung in potentielle Energie umgewandelt wird. Am Punkt der maximalen Kompression kommt der Ball für einen Augenblick zum Stillstand. Dann dehnt sich die Feder wieder aus und verwandelt potentielle zurück in kinetische Energie."

Doch ganz so einfach läuft die Sache natürlich nicht ab. Da der Stoß in hohem Maße unelastisch ist, bleibt nicht alle Bewegungsenergie erhalten. Ein bedeutender Anteil geht zum Beispiel als Reibungswärme verloren. Und noch weitere Verluste muss der Ball verkraften. "Newtons Gesetz von Aktion und Reaktion lehrt uns, dass, wenn der Schläger eine Kraft auf den Ball ausübt, dieser die gleiche Kraft in entgegengesetzter Richtung auch gegen den Schläger aufbringt." Und so betrachtet Nathan das Schicksal des Schlagholzes beim Aufprall.

Wenn der Schläger den Ball trifft, gibt es natürlich einen Rückstoß. Zur Geschwindigkeit des Balles trägt dessen Energie nichts mehr bei. Also wäre es erstrebenswert, den Rückstoß möglichst klein zu halten. Das ließe sich mit einem sehr schweren Schlagholz realisieren. "Wenn alle anderen Dinge gleich blieben, würden Sie den schwersten Schläger nehmen, den Sie kriegen können", meint Nathan deshalb. "Aber natürlich bleibt dabei nicht alles gleich, denn Sie müssen ihn ja noch schwingen können. Deshalb muss jeder Spieler einen persönlichen Kompromiss finden."

Nach der Wahl des Holzes wendet Nathan sich wieder dem eigentlichen Schlag zu. Trifft der Ball genau den Schwerpunkt des Schlägers, gibt es einen simplen Rückstoß. Erwischt er jedoch eine andere Stelle, bringt er den Schläger zum Rotieren, was mit einem zugehörigen Drehmoment verbunden ist. Auch dies geht dem Ball für den Rückflug verloren. Und es kommt noch schlimmer, denn ein echter Schläger ist nicht starr. Er kann mehr als nur rotieren und sich im Raum bewegen. "Er kann außerdem vibrieren, wie jeder bezeugen kann, der einmal schlecht getroffen hat und auf einmal mit einem zerbrochenen Holz dastand." Immer wenn der Einschlag nicht am so genannten sweet spot – physikalisch gesehen ein Schwingungsknoten – erfolgt, entsteht eine Vibration wie bei einer Gitarrensaite. Und jedes Quäntchen Schwingungsenergie... schließlich geht es ja eigentlich darum, dass der Ball weit fliegt.

Wegen der Schwingungen empfehlen sich übrigens Schläger aus Aluminium. Das Metall ist etwa doppelt so starr wie Holz, wozu auch die Konstruktion als Hohlzylinder beiträgt. Schließlich ist die Masse gleichmäßiger verteilt als bei Holzschlägern. Dadurch ist die Trägheit höher, weshalb die Aluschläger weniger rotieren. Dies alles resultiert in einem größeren sweet spot – bei Aluminium muss man also nicht so genau treffen. "Ein schlecht erwischter Ball fliegt von einem Aluschläger weiter, und es gibt weniger Vibrationen und Stiche in der Hand", weiß Nathan. "Überhaupt vergibt ein Aluschläger viel mehr. Allerdings sind sie bei Spielen der major leagues nicht zugelassen."

Einen lieb gewonnenen Mythos trägt Nathan auch gleich zu Grabe. Angeblich können manche Spieler dem Ball noch extra Energie zuführen, indem sie kräftig zupacken, wenn sie den Aufprall spüren. In Wirklichkeit ist der Ball dann schon längst in die Gegenrichtung seiner bisherigen Flugbahn unterwegs. Nur etwa eine halbe Millisekunde hat er Kontakt mit dem Schläger. "Es mag dem gesunden Menschenverstand widersprechen, aber wenn der Spieler den Schläger direkt vor dem Aufprall des Balles loslassen würde, hätte das keinen erkennbaren Effekt. Der Ball würde genau in der gleichen Weise fliegen."

Und da die Grundregeln der Physik sich nicht davon beeindrucken lassen, ob ein Zusammenstoß zwischen Baseball und Schläger oder zwischen subatomaren Teilchen stattfindet, wird Nathan mit seinen Ausführungen wohl Recht haben.

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