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Quantenchemie: Das Riesenmolekül, das aus der Kälte kam

Sie sind die Mammuts unter den Molekülen, und zum Überleben brauchen sie eine Eiszeit. Deutschen Wissenschaftlern gelang in ihrem ultrakalten Laboraufbau die Erzeugung von riesigen Molekülen, die ein Rydberg-Atom enthalten.
Gleich zwei Dinge sind nach dem Schweden Janne Rydberg benannt: eine oft brauchbare Formel zur Berechnung von Spektren und ein extrem seltener, weil ziemlich bizarrer Typ von Atom. Im "Rydberg-Atom" wird ein Elektron so weit energetisch angeregt, dass es sich in einem Zustand mit "hoher Hauptquantenzahl" aufhält – bildlich gesprochen also sehr weit außen um den Kern herumfliegt. Da es von hier aus sehr leicht in die "Freiheit" entkommt, um ein gewöhnliches positiv geladenes Ion zu hinterlassen, überleben solche Exemplare nur bei extrem niedrigen Temperaturen, wo gegenseitige Stöße nicht genügend Energie übertragen. Dort aber können zwei angeregte Rydberg-Atome durchaus auch dauerhaft aneinander binden.

Vor wenigen Jahren gelang es US-Forschern der University of Colorado dann sogar, eine Idee des Nobelpreisträgers Enrico Fermi aus den 1930er Jahren weiterzuentwickeln: Das Team um Chris Greene erkannte anhand theoretischer Überlegungen, dass auch ein Atom in Rydberg-Zustand mit einem im Grundzustand binden kann und so exotische Moleküle entstehen. Der Abstand der beiden Kerne beträgt das Tausendfache von normalen Atompaaren und erreicht Dimensionen um 0,1 Mikrometer – größer als so manches Virus!

Rydberg-Molekül "Schmetterling" | Diese Computersimulation zeigt die theoretisch abgeleitete Elektronendichte eines "Schmetterling"-Rydberg-Moleküls aus zwei Rubidiumatomen. Es wäre größer als ein kleiner Virus.
Bestimmte Werte für die Quantenzahlen des Rydberg-Elektrons führen dabei zu besonders starken Bindungen. Trägt man die quantenmechanische Elektronendichte – also die Orte, wo sich das Teilchen überwiegend aufhält – in einem Diagramm auf, ergeben sich charakteristische Formen. Die eine erinnert an eine Klasse ausgestorbener Gliederfüßler und wird Trilobitenmolekül genannt, weitere, zwei Jahre später vorgestellte Konfigurationen werden als Schmetterlingsmoleküle bezeichnet.

Im Labor können diese Dimere noch nicht gebildet werden – immerhin aber ist der erste Schritt nun geglückt: Forschern um Vera Bendkowsky von der Universität Stuttgart gelang es erstmals, ultrakalte Rubidiumatome mittels zweier Laser zu "rydbergisieren" und die entstehenden Moleküle anschließend zu ionisieren. Die Lebensdauer der Moleküle lag bei einer Temperatur von 3,5 Mikrokelvin im Bereich zwischen 15 und 18 Mikrosekunden.

Riesenmoleküle in der Kältekammer | Gefangene ultrakalte Rubidiumatome (leuchtend rot in der Bildmitte) werden durch einen blauen Laserstrahl in den Rydberg-Zustand angeregt.
Greene ist voll des Lobes für die erzielten Ergebnisse: Zum einen bestätigten sie die zu Grunde liegenden Theorien über die zuvor unbekannten Atombindungen ganz ausgezeichnet, zum anderen scheinen stabilere Moleküle wie der Trilobiten oder der Schmetterling nun in greifbarer Nähe. Aber auch über diese experimentelle Herausforderung hinaus wird es bei den Physikern heiß hergehen. Vor allem muss der Grund für die geringe Lebensdauer des ultrakalten Rydberg-Rubidiums noch gefunden werden: den Messungen zufolge liegt sie ziemlich unerwartet bei weniger als einem Drittel der Lebensdauer des beteiligten Rydberg-Atoms.
  • Quellen
Bendkowsky, V. et al.: Observation of ultralong-range Rydberg molecules. In: Nature 10.1038/nature07945, 2009.

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