Physikalische Chemie: Das Schicksal des leeren Lochs
Im Innern von Molekülen halten Elektronen die Kerne zusammen. Über die Frage, was mit der Lücke passiert, wenn eines dieser Elektronen aus dem Verband herausgetrennt wird, liegt die Wissenschaft seit langer Zeit im Streit. Jetzt gibt es eine Antwort - und sie führt in die unentschiedene Welt der Quantenphysik.
Atome sind einfach: Jedes besteht aus einem Kern, den eine Wolke von Elektronen auf genau vorgegebenen Bahnen umkreist. Mit Molekülen ist es schon ein bisschen schwieriger: Die Valenzelektronen auf den äußeren Bahnen gehören nun teilweise den beiden verbundenen Kernen gemeinsam. Auf neuen und nicht mehr so schön eindeutigen Wegen leisten sie die Hauptarbeit bei der Aufgabe, das Paar beisammen zu halten. Ihre Kollegen auf den inneren Bahnen wirken lediglich leicht unterstützend. Eine eingespielte Harmonie, die für ein stabiles Molekül sorgt.
Die Abläufe dieses Dramas im Kleinsten sind Chemikern und Physikern bis ins Detail bekannt. So weit, dass kaum ein Studierender ahnt, welch jahrelanger Disput über die Frage herrschte, was ausgerechnet mit dem Nichts in dieser Geschichte passiert – dem ersten Loch, das vom herausgeschossenen Photoelektron zurückgelassen wurde, bevor das nachrückende Valenzelektron es stopfen konnte. Obwohl es nur rund 7 Femtosekunden lebte, könnte es doch zwei unterschiedliche Schicksale erlitten haben: Entweder war es gut lokalisiert bei einem Atom, oder es gehörte delokalisiert beiden Atomen. Zumindest bei Molekülen mit zwei gleichwertigen Kernen wie beispielsweise molekularem Sauerstoff oder Stickstoff wäre beides denkbar.
Weshalb das Problem experimentell zu lösen wäre. Und tatsächlich sprechen einige Versuche für ein lokalisiertes Loch – und andere weisen auf ein delokalisiertes hin. Womit nach allen Regeln der forschenden Kunst weiterhin eine ärgerliche Wissenslücke von 7 Femtosekunden in der Beschreibung klaffte.
Diese Lücke haben jetzt Wissenschaftler um Markus Schöffler von der Universität in Frankfurt am Main geschlossen und dabei gleich den Widerspruch der entgegengesetzten Experimente aufgelöst. Oder zumindest so gut wie. Denn des Rätsels Lösung lautet: Das Loch nutzt eine Eigenheit quantenphysikalischer Systeme und ist sowohl lokalisiert als auch delokalisiert, und wie es im Experiment erscheint, hängt von der Art des Tests ab.
Zwischen diesen beiden abtrünnigen Elektronen – den Photoelektronen und den Auger-Elektronen – besteht trotz der geringen Verzögerung eine besondere quantenmechanische Kopplung. Sie sind miteinander verschränkt, teilen also manche ergänzende Eigenschaften. Je nachdem, welche Teilchen frühere Wissenschaftler gemessen haben, passte sich der andere Typ von Elektron an das Ergebnis an – und es gab mal das eine Resultat und mal das andere. In unserer makroskopischen Welt ein Graus, im Quantenkosmos überlagerte Normalität.
Die Welt der physikalischen Chemie ist somit auch im Bereich der ominösen 7 Femtosekunden wieder in Ordnung. Nur ein wenig abstrus. Aber das sind Quantenchemiker ja gewöhnt.
Die traute Verbundenheit gerät jedoch in arge Bedrängnis, wenn das Schicksal in Form energiereicher Röntgenstrahlung zuschlägt. Ein einzelnes derartiges Photon reicht aus, um aus der nächsten Umgebung des Kerns ein inneres Elektron herauszuschlagen. Zurück bleibt – ein Loch. Aber nicht lange. Billiardstel Sekunden später springt eines der Valenzelektronen in die Lücke. So tief im Zentrum benötigt es allerdings weit weniger Energie. Den Überschuss gibt es an ein anderes Valenzelektron ab, das sich dem Auger-Effekt folgend mit diesem Geschenk ebenfalls selbstständig macht. Innerhalb kürzester Zeit ist aus dem neutralen Molekül ein doppelt geladenes Ion geworden, das weit weniger stabil ist und leicht zerfällt.
Die Abläufe dieses Dramas im Kleinsten sind Chemikern und Physikern bis ins Detail bekannt. So weit, dass kaum ein Studierender ahnt, welch jahrelanger Disput über die Frage herrschte, was ausgerechnet mit dem Nichts in dieser Geschichte passiert – dem ersten Loch, das vom herausgeschossenen Photoelektron zurückgelassen wurde, bevor das nachrückende Valenzelektron es stopfen konnte. Obwohl es nur rund 7 Femtosekunden lebte, könnte es doch zwei unterschiedliche Schicksale erlitten haben: Entweder war es gut lokalisiert bei einem Atom, oder es gehörte delokalisiert beiden Atomen. Zumindest bei Molekülen mit zwei gleichwertigen Kernen wie beispielsweise molekularem Sauerstoff oder Stickstoff wäre beides denkbar.
Die beiden Varianten hätten aus physikalischer Sicht durchaus unterschiedliche Eigenschaften. Ein lokalisiertes Loch würde die Symmetrie des Moleküls zerstören, ein delokalisiertes täte das nicht. Rechnerisch ergeben sich somit verschiedene Energien, doch leider reichen die Theorien der Quantenchemie nicht aus, um eine halbwegs stabile Aussage zu liefern.
Weshalb das Problem experimentell zu lösen wäre. Und tatsächlich sprechen einige Versuche für ein lokalisiertes Loch – und andere weisen auf ein delokalisiertes hin. Womit nach allen Regeln der forschenden Kunst weiterhin eine ärgerliche Wissenslücke von 7 Femtosekunden in der Beschreibung klaffte.
Diese Lücke haben jetzt Wissenschaftler um Markus Schöffler von der Universität in Frankfurt am Main geschlossen und dabei gleich den Widerspruch der entgegengesetzten Experimente aufgelöst. Oder zumindest so gut wie. Denn des Rätsels Lösung lautet: Das Loch nutzt eine Eigenheit quantenphysikalischer Systeme und ist sowohl lokalisiert als auch delokalisiert, und wie es im Experiment erscheint, hängt von der Art des Tests ab.
Für dieses salomonische Sowohl-als-auch bestrahlten die Forscher molekularen Stickstoff mit polarisiertem Licht, das wie erwartet Photoelektronen aus den Teilchen löste. Die Austrittsrichtung dieser Elektronen relativ zum Molekül zeichneten spezielle Detektoren auf. Anschließend maßen sie den Impuls der kurz darauf auseinanderfliegenden Stickstoffionen. Aus diesen Daten errechneten sie den Impuls der Auger-Elektronen, die sich kurz nach den Photoelektronen vom Molekül entfernt hatten.
Zwischen diesen beiden abtrünnigen Elektronen – den Photoelektronen und den Auger-Elektronen – besteht trotz der geringen Verzögerung eine besondere quantenmechanische Kopplung. Sie sind miteinander verschränkt, teilen also manche ergänzende Eigenschaften. Je nachdem, welche Teilchen frühere Wissenschaftler gemessen haben, passte sich der andere Typ von Elektron an das Ergebnis an – und es gab mal das eine Resultat und mal das andere. In unserer makroskopischen Welt ein Graus, im Quantenkosmos überlagerte Normalität.
Die Welt der physikalischen Chemie ist somit auch im Bereich der ominösen 7 Femtosekunden wieder in Ordnung. Nur ein wenig abstrus. Aber das sind Quantenchemiker ja gewöhnt.
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