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Smart Homes: Intelligent, aber unbeliebt

Mit einem Smart Home ließe sich Energie und Geld sparen sowie komfortabler leben. Trotzdem kommt die Technik den meisten Deutschen nicht ins Haus.
Smart Home

Wer will das nicht – in einem Haus leben, das mitdenkt und einem unwichtige Entscheidungen abnimmt? Ein Haus, das beispielsweise entscheidet, wann die Wäsche zu waschen ist, was eingekauft werden muss und ob die Oma gerade Hilfe braucht oder zufrieden auf dem Sofa liegt?

Ha! Jetzt wären Sie beinahe hereingefallen auf einen der beliebtesten und gleichzeitig langweiligsten Einstiege in einem Zeitungsartikel! »Wer will das nicht« und »Wer kennt das nicht« sind die Anführer auf der Hitliste erster Sätze in journalistischen Artikeln (achten Sie mal darauf). Und: Sie sind ein bisschen manipulativ. Wollen Sie überhaupt einem smarten Gebäude die Entscheidung überlassen, wann Sie Ihre Großmutter besuchen oder ob es langsam Zeit ist, Ihre Socken zu waschen?

Genau das wollten die Körber-Stiftung und die acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, im Technikradar 2018 herausfinden. Bislang wurden vor allem die Äußerungen von Ingenieuren und Entwicklern laut, besonders die jener Anbieter smarter Technologien, die unser Leben von morgen bestimmen sollen. Und deren Aussage lautete stets: Natürlich möchten Menschen gerne in einem smarten Gebäude leben, in dem alles wie von selbst geschieht und das dabei wahnsinnig effizient ist – und zwar sowohl im Sinne des Zeit- als auch des Energiemanagements. Ein smartes Gebäude nimmt seinen Bewohnern nämlich Aufgaben ab und entscheidet, wann sich die Heizung ausschaltet, die Fenster öffnen und der Kühlschrank die Bestellung zum Online-Supermarkt abschickt.

Doch die Ergebnisse des Technikradars, für den 2000 repräsentativ ausgewählte Personen telefonisch befragt wurden, sprechen eine andere Sprache: Lediglich acht Prozent der Deutschen nutzen Smart-Home-Technologien. Und wenn nun Entwickler und Anbieter argumentieren: »Das kommt ja alles erst noch«, dann nimmt ihnen die nächste Zahl den Wind aus den Segeln: 57 Prozent der Befragten ziehen es nicht einmal in Erwägung, ihr Haus mit smarter Technologie aufzurüsten.

Laut des »Smart Home Consumer Survey« von Deloitte aus dem Jahr 2018 sind die Bedenken der Verbraucher seit 2015 sogar gewachsen. Für diese Studie wurden 2000 Konsumenten zwischen 19 und 75 Jahren befragt. Das Ergebnis? 38 Prozent halten die Technologie für zu teuer und 33 Prozent vermuten mangelnden Datenschutz. Neu in der 2018 erschienen Befragung ist Platz 3 der Bedenken: Sorgen vor unausgereifter Technik.

Auch ältere Menschen – eine beliebte Zielgruppe, hört man Smart-Home-Verfechtern zu – sind wenig überzeugt. Das Argument, dank Technik länger in den eigenen vier Wänden leben zu können, zieht offenbar nicht. Nur um die 14 Prozent der Befragten schenken dieser Aussage laut Technikradar überhaupt Glauben – und die Skepsis wächst mit dem Alter.

Angst vor Kriminellen

Was ist da los? »Die Menschen haben die große Sorge, dass die Konzepte Smart Home und smarte Pflege die menschliche Zuwendung reduzieren könnten«, sagt Cordula Kropp, Leiterin des Lehrstuhls für Umwelt- und Techniksoziologie an der Universität Stuttgart. Viele befürchten, dass sich in Zukunft nur noch Wohlhabende menschliche Pflege leisten können. Fast 55 Prozent der Menschen glauben, dass sie im Smart Home einen Komfortgewinn genießen würden, und fast 54 Prozent sind überzeugt, dass sich mit diesen Technologien Energie sparen lässt, zitiert Kropp aus dem Technikradar. »Und sie wollen es trotzdem nicht!« – für die Forscherin ein erstaunliches Ergebnis.

Offenbar ist das Vertrauen sehr gering, dass diese Technologien gut und vor allem sicher umgesetzt werden. Knapp 68 Prozent der Deutschen haben Sorge, dass Kriminelle die Kontrolle über die eigene Wohnung übernehmen können. In der Tat hat es Vorfälle gegeben, die zeigen, wie schwer es ist, smarte Technologien vor Hackern zu schützen. Und auch in einer anderen Einschätzung sind die Befragten gebrannte Kinder: 66 Prozent befürchten, von einem Hersteller abhängig zu werden. »Menschen haben Angst, dass sie Systeme kaufen, die dann permanent upgedatet werden müssen«, sagt Kropp. Die Befürchtungen überwiegen.

Kropp hat solche Scheren zwischen den Ideen von Entwicklern und deren Zielgruppe, den künftigen Anwendern, immer wieder beobachtet, häufig im Pflegebereich. Die Ingenieure, die die Technologien entwickeln, kämen nicht aus dem Pflegebereich und würden die Probleme nicht von innen kennen. Die Erfahrung zeige in der Tat, dass der Einsatz von Technik die Häufigkeit reduziere, mit der Pflegerinnen und Pfleger in die Zimmer der Patienten kommen. »Und ich höre immer öfter, dass sie zu spät kommen – wenn beispielsweise ein Patient mit hohem Fieber im Bett liegt.« Anderen ist im privaten Bereich ihre Autonomie so wichtig, dass sie sich nicht von Maschinen daran erinnern lassen wollen, wann sie ihre Tabletten nehmen oder wann es günstig wäre, die Wäsche zu waschen.

Damit hat Jan Michael vom Fraunhofer Institut für Entwurfstechnik Mechatronik immer mehr zu kämpfen. »Man kann eine ganze Menge erreichen mit intelligenter Haussteuerung«, sagt er. Wenn in Zukunft der Kühlschrank und die Waschmaschine untereinander abstimmen, wer wann Strom verbraucht, und das Ganze noch an günstige Strompreise und die Produktion eigener Solarenergie auf dem Dach anpassen, dann lässt sich viel Geld sparen. Indem Nutzer ein wenig in ihrem Stromverbrauch gesteuert werden, ließe sich auch die Netzstabilität für den Strom aus erneuerbaren Energien sichern. Aber kann man ein Haus überhaupt so intelligent gestalten, dass die Bewohner ihren Verbrauch optimieren?

Die Gewohnheiten ändern

»Daran müsste der Nutzer sich ein bisschen gewöhnen«, sagt Michael. Man müsste beispielsweise die Waschmaschine morgens mit schmutziger Wäsche befüllen, damit sie irgendwann im Laufe des Tages waschen kann. Man müsste seinem Kühlschrank die Freiheit geben, sich selbst für eine gewisse Zeit abzuschalten, wenn die Solaranlage vom Dach meldet, dass gerade nicht so viel Strom produziert werden kann. Und man müsste akzeptieren, dass im Wohnzimmer nicht immer genau die Wunschtemperatur getroffen wird – abhängig davon, wann die Heizung es geschickt findet, zu heizen.

Die Bewohner eines Smart Homes müssten unter Umständen also ihre Gewohnheiten ändern. Viele sind es etwa gewohnt, spontan die Waschmaschine anzuschmeißen, wenn sie nach der Arbeit feststellen, dass noch gewaschen werden muss. Im Gegenzug könnten die Geräte aber dazu lernen. Wenn ein Nutzer beispielsweise immer morgens um sieben den Föhn und den Heizlüfter im Bad anschaltet, dann könnte das System zu dieser Zeit automatisch den Kühlschrank ausschalten oder die Heizung in der Küche vorher schon hochstellen.

»Das hat den Geschmack der Bevormundung«, sagt Michael, »aber das ist es nicht.« Der Nutzer sei schließlich immer noch frei darin zu bestimmen, dass er in seinem Wohnzimmer immer 22 Grad Celsius haben will und dass die Temperatur im Kühlschrank nie über fünf Grad Celsius steigen darf. Machen das allerdings alle, dann geht das ganze Konzept nicht auf. Das Stromnetz der Zukunft würde zusammenbrechen. Michael und seine Kollegen haben deshalb gerade Förderung für eine Studie beantragt, in der sie die Akzeptanz für Smart Homes genauer untersuchen wollen. Ist ein smartes Zuhause überhaupt denkbar? »Wir Ingenieure denken immer, es muss technisch alles rausgeholt werden, aber wollen das die Menschen überhaupt?«, fragt sich Michael.

Lohnen würde es sich: Eine Simulationsstudie des Instituts für Lippstadt im Kreis Soest hat ergeben, dass sich 90 Prozent des Energiebedarfs eines Einfamilienhauses von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach decken ließe. Wie bringt man die Menschen also dazu, ihre Routinen zu ändern? Sich nicht daran zu stören, die Waschmaschine morgens zu beladen und im Wohnzimmer ein Strickjäckchen bereit zu legen? »Wenn man auf dem Gerät anzeigt, dass es 1,40 Euro kostet, wenn du jetzt wäschst, aber nichts kostet, wenn du wartest, dann kann man die Leute vielleicht dazu bewegen, ein Feingefühl zu entwickeln«, meint Michael. Der Forscher ist optimistisch: Die Deutschen hätten sich schließlich auch an die Mülltrennung gewöhnt. Eine echte Alternative gibt es beim Thema smarte Energie auch nicht: »Die Nutzer müssen dazu beitragen, dass die Energiewende funktioniert.«

Eine Frage der Freiheit

Tatsächlich werden wir in einem anderen Bereich heute schon ein wenig von unseren Geräten hinters Licht geführt, erklärt Michael: Moderne Waschmaschinen waschen nämlich im 60-Grad-Programm häufig nicht bei 60 Grad Celsius. Die Realität habe nämlich gezeigt, dass sich die Menschen nicht davon abbringen lassen, bei 60 Grad zu waschen, jedenfalls nicht mit Argumenten. »Die Programme heißen dann beispielsweise 60-Grad-Baumwolle-Label und waschen nur mit 48 Grad«, erklärt Michael. Der Trick mit dem Namen führt dazu, dass wir nicht wirklich angelogen werden: Das Programm wäscht »so wie das alte 60-Grad-Programm«. So wird also häufig ganz unbewusst umweltfreundlicher gewaschen. »Nutzer denken, die Wäsche wird bei 60 Grad sauberer als bei 40. Aber das stimmt nicht.« Ökoprogramme laufen einfach länger, damit die Chemie mehr Zeit zum Einwirken hat. Womöglich kann man diesen Trick auf einzelne Bereiche im smarten Heim übertragen. Man könnte sich etwa eine Heizung vorstellen, die man auf eine »Wohlfühltemperatur wie 22 Grad« einstellt.

Für die Soziologin Kropp ist es eine Frage der Freiheit, wie das Smart Home am Ende umgesetzt wird. »Entlastung steht hier der Abhängigkeit entgegen.« Die Abhängigkeit von der Technik reduziere aber auch gleichzeitig die Anatomie – eine Schlüsselfrage der Technik. Ein Beispiel ist der Absturz der Boeing 737 Max im März 2019, bei der hoch qualifizierte Piloten nicht in der Lage waren, sich gegen ein System durchzusetzen, das es richtig fand, das Flugzeug zu senken. »Hier war die Abhängigkeit so hoch, dass sie ihr Leben nicht retten konnten.«

Es gebe kein Kochrezept für die »gute Technologie«, sagt Kropp: »Man muss für alle automatisierten Systeme im Detail festlegen, wie das Verhältnis zwischen Entlastung und Abhängigkeit ist.« Die menschliche Handlungsfähigkeit müsse dabei in jedem Fall erhalten bleiben.

Das alles ist nicht unbedingt eine Absage an das mitdenkende Heim oder gar an die Automatisierung insgesamt. Es ist mehr eine Aufforderung an Ingenieure, auch mal die Perspektive zu wechseln und mit Soziologen zusammenzuarbeiten. Diese könnten Nutzer zu ihren Vorlieben befragen, so dass die Ingenieure keine Probleme lösen, die niemand gelöst haben will. »Technologie könnte beispielsweise im Pflegebereich die Dokumentation machen«, sagt Knopp. Dann haben die Menschen mehr Zeit für die Menschen. Das würde die Akzeptanz der Technologie vermutlich erhöhen.

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