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News: Das Ticken der Bakterienuhr

Nicht nur in höheren Organismen tickt eine innere Uhr. Auch Bakterien können darauf nicht verzichten. Zu der Frage nach dem Wie gibt es nun eine neue Theorie.
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Wer schon einen Interkontinentalflug hinter sich gebracht hat, kennt das: Jetlag. Plötzlich ist man mitten am Tag todmüde, kann aber dafür die halbe Nacht nicht einschlafen. Der Grund hierfür ist unsere innere Uhr, die aus dem Gleichgewicht geraten ist. Nun braucht unser Taktgeber einige Zeit, um den verlorenen Rhythmus mit den äußeren Gegebenheiten – Tag und Nacht – wieder in Einklang zu bringen.

Diese circadiane Rhythmik ist nicht auf höhere Organismen beschränkt. Auch Pflanzen und niedere Tiere aktivieren darüber zu bestimmten Zeitpunkten spezifische Gene. Dass auch Mikroben auf diesen Mechanismus zurückgreifen, brachte die Fachwelt allerdings ins Grübeln. Dachte man doch, für sich so hurtig teilende Organismen wie Bakterien, die sich bereits in 24 Stunden vermehrt haben, sei eine innere Uhr reine Verschwendung.

Dabei kam die Bakterienuhr eher zufällig ans Licht: Ein taiwanesisches Forscherteam wollte in den achtziger Jahren herausfinden, wie in Reishüllen heimische Cyanobakterien Stickstoff aus der Luft binden und ihn chemisch so fixieren, dass die Pflanze ihn nutzen kann. Die Winzlinge hatten dabei zwei eigentlich unverträgliche Prozesse kombiniert: die Photosynthese und die Stickstofffixierung. Aus der Affäre zogen sie sich durch einen cleveren Trick. Sie photosynthetisierten den ganzen Tag lang und fixierten Stickstoff in der Nacht.

Um den Tag von der Nacht unterscheiden zu können, brauchen die Bakterien aber eine innere Uhr. Und so nahmen sich Carl Johnson und sein Team von der Vanderbilt University das blau-grün schimmernde Cyanobakterium namens Synechococcus elongatus an. Schnell legten sie sich auf drei verantwortliche Gene fest: kaiA, kaiB und kaiC. Alle drei sind für die biologische Uhr essenziell. Obwohl noch zusätzliche Substanzen beteiligt zu sein scheinen, funktioniert der innere Taktgeber nicht ohne die drei von diesen Genen abgelesenen Proteine.

Im nächsten Schritt reinigten die Forscher die Proteine und studierten ihre Struktur mithilfe der Elektronenmikroskopie. Hierbei zeigte KaiC, das größte Protein unter dem Trio, eine auffällige Form. „Wir waren in der Lage zu zeigen, dass KaiC eine ringähnliche, hexagonale Struktur ausbildet. Und diese Struktur gibt uns einige wichtige Hinweise darauf, wie die biologische Uhr die Expression des vollständigen Bakteriengenoms reguliert“, erklärt Johnson. Denn die Struktur von KaiC ähnelt einer bereits bekannten: der von DNA-bindenen Proteinen.

Die Ähnlichkeit legt die Schlussfolgerung nahe, dass auch KaiC direkt mit der DNA interagiert. Doch muss die Bindung auf einem leicht abgewandelten Weg als dem bekannten zustande kommen. Denn KaiC fehlen einige der sonst für Ringmoleküle so charakteristischen genetischen Sequenzen. Möglicherweise ist die hier aufgespürte Interaktion ein Novum in der Natur.

Allerdings ist die wichtigste Frage damit immer noch nicht beantwortet. Wie funktioniert dieses Protein als circadiane Uhr? Das Forschungsteam vermutet, dass es auf den Zustand der DNA Einfluss nimmt.

Denn das ringförmig geschlossene Bakterienchromosom kann in zwei Zuständen vorkommen: Im entspannten Zustand können die Gene abgelesen werden, während im superhelikalen Zustand das gesamte Molekül so unter Spannung steht, dass keine Genaktivität stattfinden kann. Vielleicht wirkt KaiC wie ein Schalter, um zwischen beiden Zuständen hin und her zu springen. „Wir wissen wirklich nicht, ob dies der Fall ist“, sagt Johnson. „Aber es ist unsere Arbeitshypothese.“

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