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News: Das Zwinkern der Troposphäre

Zahllose Faktoren bestimmen die zukünftige Klimaentwicklung, und nicht alle führen zu einem Anstieg der Temperaturen. So zeigen Satellitenbilder, dass die hoch gelegene Cirrus-Wolkendecke über dem Pazifik infolge ansteigender Wassertemperaturen immer löchriger wird. Und durch diese offenen Fenster im Treibhaus Erde kann Wärme ins All entweichen.
Es vergeht kein Tag, an dem es nichts Neues über Treibhauseffekt, abschmelzende Gletscher und sich ausbreitende Wüsten zu berichten gibt - was angesichts der dramatischen Szenarien kaum verwundert. Was die zahllosen neuen Ergebnisse aber vor allem aufzeigen, ist, wie komplex das Klimasystem der Erde ist, und dass ein alles vereinendes Modell noch in ferner Zukunft liegt.

Eine weiteres Puzzleteilchen steuerten nun Forscher des Goddard Space Flight Center und vom Massachusetts Institute of Technology bei. Sie stießen auf einen Effekt, mit dem sich das Klima der globalen Erwärmung widersetzt - einen natürlichen Regulierungsmechanismus, den die Wissenschaftler mit der Reaktion des Auges auf helles Licht vergleichen: Je höher die Temperaturen im Pazifik, umso dünner die Wolkendecke in oberen Bereichen der Troposhäre. Diese Cirrus-Wolken (cirrus, lat.: Haarlocke) bewirken indes den Treibhauseffekt, dünnen sie aus, kann also mehr Wärme von der Erdoberfläche ins All entweichen.

Die dünnen Cirrus-Wolken bestehen aus feinen Eiskristallen und sind gleichsam der Deckel auf dem Klimatopf. Während sie einerseits für die kurzwellige Sonnenstrahlung durchlässig sind, isolieren sie andererseits die von der Erde zurückgestrahlte, langwellige Wärmeenergie. Über dem Pazifik bilden sich diese Wolken aus den turmförmigen Cumulus-Wolken (cumulus, lat.: Haufen), die aufsteigende, feuchte Luftmassen markieren und bis in 7000 bis 12 000 Meter reichen können. In ihnen wirbeln feine Wassertropfen umher, die entweder größer werden und abregnen oder in den oberen Schichten der Troposphäre zu Eis gefrieren und jene Cirrus-Wolken bilden.

Auf den Satellitenbildern, die über 20 Monate lang den Bereich von Australien über Japan bis beinahe Hawaii abdeckten, konnten Arthur Hou und seine Kollegen nun eindeutig erkennen, dass mit steigenden Wassertemperaturen die Cirrus-Wolkendecke immer lückenhafter wurde. Mit jedem Grad Celsius verringerte sich das Verhältnis der Cirrus- zur Cumulus-Bedeckung um 17 bis 27 Prozent - ein Effekt, dessen Ursache nach Meinung der Forscher in dem Mechanismus der Regentropfenbildung liegt. Demnach steigen bei höheren Temperaturen die Niederschlagsmengen, sodass für die eisigen Cirrus-Wolken weniger Wasser bleibt.

Dieser "Iris-Effekt" müsste nach Meinung von Hou und seinen Kollegen in allen tropischen Meeresregionen zu beobachten sein. In diesem Fall, so schätzen sie, könnten die Klimaforscher - die von einer Verdoppelung der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre ausgehen - ihre Prognosen zum zukünftigen Temperaturanstieg um bis zu zwei Drittel nach unten revidieren. Mutige Zahlen, die mit der vielerorts messbaren Beschleunigung des globalen Temperaturanstiegs konfrontieren. Das vielteilige Klimapuzzle lässt das fertige Bild gerade erst erahnen.

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