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News: Daten von der Tesa-Rolle

Freitag der 13. März 1998: Dr. Steffen Noehte und Matthias Gerspach sitzen an der Universität Mannheim in den abgedunkelten Optik-Labors der Technischen Informatik bei den letzten Vorbereitungen für ihre Präsentation auf der CeBit. Die sonst bei Messe-Vorbereitungen üblichen kleineren Pannen sind nicht eingetreten, eigentlich könnte jetzt alles eingepackt werden. Ein grüner Laser blitzt immer wieder kurz auf und brennt in eine spezielle CD winzige Hologramme, die eine kleine Filmsequenz projizieren, wenn man sie mit einem Laser wieder ausliest. Sie soll auf der CeBit gezeigt werden. Die beiden Physiker überlegen, was sie auf der Messe noch präsentieren könnten. Ihr Blick fällt auf eine ganz normale Tesafilm-Rolle, die ihnen wegen ihrer hohen Transparenz schon früher aufgefallen war. Sie hatten bereits zuvor etliche Polymermaterialien, zu denen auch der Tesafilm gehört, zur Speicherung digitaler Informationen getestet, allerdings nur mit geringem Erfolg. Und so recht wollten die Wissenschaftler nicht daran glauben, daß sie mit ihrem Verfahren ausgerechnet in einem gewöhnlichen Klebeband Informationen mit großer Dichte speichern können.
20 Minuten später: Ein Lithograph (ein speziell für diese Zwecke am Lehrstuhl für Informatik V gebauter Laserdrucker mit einer Auflösung von 50 000dpi) hat ein winziges digitales Hologramm Punkt für Punkt in einen Klebestreifen belichtet, der dafür auf einen Objektträger geklebt worden war. Zur Rekonstruktion wird dieses Hologramm mit einem Laserpunkt beleuchtet. Noehte und Gerspach sind erstaunt. Hologramme dieser Stärke und dieser Qualität hatten sie zuvor in Polymeren nicht beobachten können. Irgendwas war am Tesafilm anders, aber für weitere Untersuchungen war so kurz vor der CeBit keine Zeit mehr.

Wie alles anfing: Vom optischen Rechner zum holographischen Speicher

Ende 1991 kamen Prof. Dr. Reinhard Männer und seine Mitarbeiter nach Mannheim an den neu eingerichteten Lehrstuhl für Informatik V der Universität Mannheim. Männer, spezialisiert auf den Bau von parallelen Hochleistungs-Rechnern, und Noehte, Spezialist für Laserphysik, hatten sich zusammengetan, um auf dem Gebiet der optischen Rechner Grundlagenforschung zu betreiben. Optische Rechner beziehungsweise die optische Realisierung spezieller Rechenvorgänge macht dort Sinn, wo hohe Rechenleistung und hoher Datenaustausch gefordert sind. Mit optischen Systemen können Informationen hochparallel und ohne Kreuzungsprobleme sehr schnell ausgetauscht werden. Dies liegt daran, daß sich Lichtstrahlen ohne Interaktion im Raum durchdringen können.

Ein prädestiniertes Anwendungsgebiet hierfür sind die neuronalen Netzwerke, deren Kernoperation eine Matrixmultiplikation ist. Allerdings wachsen bei größeren neuronalen Netzwerken die Rechenzeiten selbst auf schnellen digitalen Rechnern extrem an, da alle Daten miteinander kombiniert werden müssen. Gerade diese Kernoperation kann mit optischen Matrixmultiplizierern hochparallel und schnell gerechnet werden. Hierzu wurden in dem Forschungsprojekt Optische neuronale Netzwerke umfangreiche Untersuchungen und Entwicklungen durchgeführt. Das Kernstück eines solchen optischen Rechenwerkes ist ein Hologramm, das durch optische Verbindungen die einzelnen Daten miteinander kombiniert (Adressierung). Die vom Hologramm eingestellte Lichtstärke (Verbindungsstärke) gibt den Speicher an. Hierzu wurden drei verschiedene optische Prototypen aufgebaut, die notwendigen Hologramme selbst hergestellt und optimiert.

Das Material entscheidet

Digitale Hologramme bringen wesentliche Vorteile mit sich. Durch die optimierte Berechnung lassen sich Hologramme mit erheblich höherer Beugungseffizienz und ohne Störungen bei der Belichtung herstellen. Die Wissenschaftler entwickelten zur Berechnung und simulierten Rekonstruktion ein Programm namens "DIGIHOL". Digitale Hologramme ähneln dem digitalen Bitmuster auf einer CD, jedoch sollten die Bildpunkte der Hologramme in der Größenordnung einer Wellenlänge sein, also kleiner als ein Mikrometer.

Für die Belichtung der digitalen Hologramme mußten die Forscher einen geeigneten Lithographen konstruieren und herstellen. Dieser Lithograph ist im wesentlichen ein hochgenauer Laserdrucker mit einer Auflösung von 50 000 dpi. Das entspricht etwa 20 000 Seiten auf einem DIN A4 Blatt mit normaler Laserdruckerauflösung. Eine Spezialität dieses Lithographen ist, daß er echte Grauwerte schreiben kann. Es werden dafür jedoch spezielle holographische Materialien benötigt, und das normalerweise verwendete Material, ein Halbleiterglas (Arsensulfid), bietet zwar hervorragende Eigenschaften, ist jedoch giftig und damit in der Herstellung nicht unproblematisch. Deshalb waren die Mannheimer Wissenschaftler schon seit längerem auf der Suche nach geeigneten anderen Materialien. Eine Reihe von Untersuchungen an Kunststoffmaterialien (Polymeren) zeigte zwar, daß die Belichtung von Hologrammen in Polymeren prinzipiell möglich ist, jedoch waren die erzielten Beugungseffizienzen zu schwach, oder die industriellen Folien wiesen nur unzureichende optische Qualitäten auf.

Anders beim Tesafilm. Hier ist die Beugungseffizienz (der Wert, der die Lichthelligkeit eines projizierten Hologramms wiedergibt) erheblich größer als bei allen bisherigen Untersuchungen mit anderen Polymeren. Beim Einschreiben in den Tesafilm wird ein grüner Laser sehr fein auf eine Lage des Tesafilms fokusiert. Durch einen nur rund 1,5 Mikrometer dicken Absorber wird die Energie des Lasers in Wärme umgewandelt. Da das Laserlicht auf weniger als 0,7 Mikrometer im Durchmesser fokusiert ist, erreicht man hier bereits mit einem Laser von nur 1mW, bei einer Pulslänge von nur wenigen Mikrosekunden, Temperaturen von 170 Grad Celsius. Was beim Tesa-Film genau passiert, war den beiden Wissenschaftlern zunächst nicht klar. Erst Nachfragen bei der Firma Beiersdorf, dem Hersteller des Tesafilms, brachten Licht ins Dunkel.

Das Polypropylen (das Trägermaterial Tesa) wird als Thermoplast bei der Herstellung um mehrere Größenordnungen in der Fläche gestreckt. Bei der Erwärmung durch den Laserpunkt zieht sich das Material zusammen und gibt damit die beim Strecken eingebrachte Energie wieder frei. Das Material erhöht somit seine optische Dichte am Ort. Diese Art der Belichtung nennt man eine Phasenbelichtung, das Material bleibt durchsichtig, die Information kann jedoch durch die im beschriebenen Punkt erhöhte Reflexion genauso wie bei einem CD-Spieler ausgelesen werden. Somit kann die Energie, die bei der Herstellung gespeichert wird, genutzt werden. Erstaunlich ist auch die große Reinheit des Materials. Sie erlaubt es bereits ohne Optimierungen, nahe an die Bit-Fehlerraten von Backup-Bändern heranzukommen.

Allerdings funktioniert das nur beim Tesafilm. Untersuchungen mit den Klebebändern anderer Hersteller, wie sie zum Beispiel in den USA verkauft werden, haben gezeigt, daß hier derartige Störungen und Streuungen vorliegen, die die Verwendung des Klebebandes zur Speicherung von Information unmöglich machen.

Da sich die Mannheimer Computerwissenschaftler bereits seit längerem auch mit der Speicherung von Informationen in mehreren Lagen befaßt hatten und Informationen in verschiedene Schichten durch bereits geschriebene Informationen hindurch schreiben und auch wieder auslesen konnten, lag die Idee nahe, dies auch mit der Tesarolle zu versuchen. Die Tests zeigten dann auch, daß dies möglich ist. Bisher wurde durch bis zu fünf Lagen belichtet, theoretische Abschätzungen lassen noch weit mehr Lagen zu. Somit muß die Tesa-Rolle beim Beschreiben und Auslesen nicht abgerollt werden. Die Information ist gut geschützt im Inneren – im Volumen – der Rolle aufgehoben.

Damit dies auch klappt, müssen jedoch zwei weitere wichtige Voraussetzungen erfüllt werden. Zum einen muß die Stärke der Belichtung einstellbar sein. Durch eine zu starke Phasenänderung würde, auch wenn es sich hier lediglich um eine Phasenänderung im Material handelt, das Licht des Lasers durch die ersten Schichten so stark gestreut, daß in der auszulesenden Lage nicht genügend Intensität übrig bliebe. Ist die Phasenänderung zu schwach, ist auch das Signal zu schwach. Das Material muß also auch "Grauwerte" darstellen können. Zum Anderen muß das Material über einen Schwellwert verfügen, da sonst bei einer flächigen Belichtung, wie es bei der Speicherung üblich ist, genau so viel Energie in die darüber- und darunterliegenden Schichten wie in die eigentlich angesprochene Schicht deponiert würde. Der Tesafilm erfüllt beide Eigenschaften, die T-ROM war geboren.

10 GigaByte auf einer Rolle

Berechnet man die Speicherkapazität einer handelsüblichen zehn Meter langen und 19 Milimeter breiten Tesa-Rolle, so entspricht dies einem Speichervolumen von zehn Gigabyte. Das ist die Menge an Daten, die auf 15 CDs passen. Dabei ist bereits die zur Fehlerreduktion benötigte Redundanz berücksichtigt. Das Laufwerk befindet sich im Kern des Speichermediums, also der Tesa-Rolle, die starr stehen bleibt, während der Laserstrahl, umgelenkt durch einen Spiegel, mit einer Fokuslinse rotiert. Um verschiedene Spuren zu erreichen, wird der Spiegel durch einen Servomotor in der Höhe verstellt und der Laser in die entsprechende Lage der Rolle fokusiert.

Die Vorteile dieses Speichermediums liegen in der kompakten Form, da im Volumen gespeichert wird. Das Speichermedium steht starr, muß also nicht rotieren und hat damit auch keine Probleme mit Unwuchten. Der Weg des Lesekopfes ist klein, was schnelle Zugriffszeiten verspricht. Und in das Medium können, genauso wie bei der herkömmlichen CD, während der Herstellung Informationen eingeprägt werden. Für Speicher mit erheblich höherer Kapazität denken die Erfinder der T-ROM bereits über holographische Speicher nach, die noch erheblich höhere Transferraten beim Auslesen erlauben, da dieser Vorgang hier hochparallel geschieht.

Der Anwendungsbereich für solche Wechselspeichermedien liegt bei den sogenannten Westentaschencomputern, die in der Zukunft ganze Nachschlagwerke und Kartenmaterialien speichern sollen. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind die digitalen Videokameras, die dann eine Stunde Film abspeichern sollen. Die Entwicklung wird ähnlich lange dauern wie die der anderen Speicher, nämlich mindestens fünf Jahre.

Die Entwicklung wird von der Universität Mannheim, von der Klaus Tschira-Stiftung über das European Media Laboratory in Heidelberg und von der Firma Beiersdorf, dem Hersteller des Tesafilms, gefördert. Das macht es den Wissenschaftlern möglich, den Grundstein für eine neue Speichertechnologie setzen. Die gerade erst ins Leben gerufene Kooperation mit der Universität Stanford soll die Entwicklung beschleunigen, denn Eile ist geboten. Die Konkurrenz ist groß und mächtig. Die Umsetzung bis zur Produktreife jedoch wird nach Ansicht Noehtes nicht ohne einen großen Speicherhersteller funktionieren.

Wissenschaftlicher Hintergrund: Optische Speicher

Auf dem hart umkämpften Speichermarkt haben die optischen Speicher in den letzten Jahren einen festen Platz eingenommen. Mittlerweile werden die meisten Informationen und Daten optisch abgespeichert. Dies ist dem Erfolg der Daten-Compact Disc (CD) zu verdanken. Es gibt heute kein anderes Medium, mit dem man so schnell und preiswert Informationen vervielfältigen kann wie mit dem Druck einer CD. In einer moderne Produktionsanlage werden die CDs fertig bedruckt, im Sekundentakt produziert und das zu einem Preis von wenig mehr als einer Mark. Zur Zeit ist dies für die Duplizierung von Informationen die Technologie mit der geringsten Umweltbelastung. Auf eine CD mit einer Speicherkapazität von 690Mbyte kann die gesamte Information eines Versandkataloges von über 800 Seiten abgespeichert werden. Die Information ist sicher gegenüber elektromagnetischen Störungen eingeprägt. Die zweite Erfolgswelle für die CD bahnte sich vor etwa zwei Jahren an, als die Schreibgeräte und die für die Endverbraucher beschreibbaren CDs (CD-R) erheblich billiger wurden. Für einen Rohling bezahlt man heute zwischen zwei und drei Mark.

Die Anwender und die Unterhaltungsindustrie verlangen jedoch nach neuen Medien mit noch höherer Speicherkapazität. Die Filmindustrie zum Beispiel will Speichermedien, die 120 Minuten digitalen Film mit mehreren Tonspuren für verschiedene Synchronsprachen und zusätzlich einspielbare Informationen speichern können. Der Nachfolger der CD ist die DVD (Digital Versatile Disc) mit Speicherkapazitäten von 2,8 bis zu 17Gbyte. Die 17Gbyte DVD hat die Größe einer CD, die höhere Speicherdichte wird einmal durch die Verwendung kurzwelliger Laser erreicht, die feinere Pit-Strukturen und damit eine höhere Speicherdichte erlauben. Gleichzeitig wird auf beiden Seiten der CD in zwei Schichten geschrieben, also insgesamt auf vier Lagen. Daß diese Technologie nicht ganz einfach ist sieht man daran, daß die breite Markteinführung dieser DVD-5 erst in rund zwei Jahren zu erwarten ist.

Einige Anwender benötigen jedoch Speicher mit noch erheblich größeren Speicherkapazitäten. Diese Terabitspeicher werden heute nur von vereinzelten Anbietern als so genannte Disk-Arrays angeboten, die mehrere CD-Wechsler oder optische Bandlaufwerke zusammenschalten. Die Nachfrage ist groß. Allein die von der DASA abgespeicherten Bilddaten belaufen sich in einem Jahr auf ungefähr 20Tbyte.

Eine Möglichkeit, Speicher mit hoher Kompaktheit und schnellen Zugriffszeiten zu bauen bieten die holographishen Volumenspeicher. Auf diesem Gebiet forschen unter anderem Arbeitsgruppen von IBM in Almaden/USA, und Beyer in Leverkusen, das CALTEC, die Stanford University, das Taiwanesische Research Center, der Lehrstuhl von Prof. Tschudi in Darmstadt. Auch an der Technischen Informatik der Universität Mannheim verfolgt man die holographischen Volumenspeicher, allerdings in einer speziellen Form als digitale Quasi-Volumen-Hologramme.

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