Direkt zum Inhalt

News: Dem Krebs ins Antlitz schauen

Unheilbar kranke Krebspatienten, die ihre Lebenserwartung zu hoch einschätzen, neigen dazu, aggressivere Behandlungen zu wählen. Diese Maßnahmen verlängern jedoch gewöhnlich nicht ihr Leben. Zudem schätzen die Ärzte die Überlebenschancen ihrer Patienten üblicherweise geringer ein als die Erkrankten selbst. Die Forscher hoffen, daß eine offenere Kommunikation von seiten der Ärzte den Patienten erlauben wird, realistische Entscheidungen zu treffen und unnötiges Leiden zu verhindern.
Unheilbare Krebspatienten haben gewöhnlich die Wahl zwischen Betreuung, die ihr Leiden lindert – wobei nur Schmerzen und Symptome behandelt werden – oder aggressiven Behandlungen, von denen viele schwere und unangenehme Nebenwirkungen haben. "Man möchte den Menschen gern Hoffnung machen oder ihre Lebensqualität maximieren", sagt Jane Weeks vom Dana Farber Cancer Institute in Boston. "Wenn wir es zulassen, daß Patienten falsche Hoffnungen hegen – wem schadet das?" Um dies herauszufinden, haben sie und ihre Kollegen 917 Erwachsene mit Lungen- oder Dickdarmkrebs im Spätstadium über die Einschätzung ihrer Überlebenschancen und bevorzugten Behandlungsmethoden interviewt. Die Ergebnisse wurden mit den Prognosen ihrer Ärzte verglichen (Journal of the American Medical Association (JAMA) vom 3. Juni 1998, Abstract).

Die Ärzte waren im allgemeinen zurückhaltend bei der Vorhersage, ob und wann ihre Patienten sterben würden, sagt Weeks. Zum Beispiel wurde erwartet, daß nur 23 Prozent der Patienten mehr als sechs Monate überleben würden. Aber 85 Prozent der Patienten schätzten, daß sie die Chance hätten, so lange zu leben. Tatsächliche überlebten 45 Prozent. Die optimistischsten Patienten wählten 2,6mal wahrscheinlicher eine aggressive Antikrebs-Therapie anstatt einer Betreuung, die ihr Leiden gelindert hätte. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit, daß sie als Notfallpatienten in die Klinik eingeliefert werden mußten, ebenfalls fast doppelt so hoch, und es gibt keine Beweise, daß diese Gruppe länger lebte als die Pessimisten.

Nach Weeks Meinung scheint all dies auf mangelnde Kommunikation zwischen Arzt und Patient hinzudeuten. "Es ist unglaublich schwierig, schreckliche Neuigkeiten gut und mit Mitgefühl zu vermitteln." Andererseits sind Patienten möglicherweise nicht fähig oder willens, die Realität ihrer Notlage zu begreifen. Trotzdem, sagt sie, müssen Patienten richtig informiert werden, um angemessene Entscheidungen treffen zu können. "Der nächste Schritt sollte eine Untersuchung über den Umfang der Informationen in der Praxis sein: wieviel davon aufgenommen wird und welche Auswirkungen sie auf die Entscheidungsfindung derjenigen haben, deren Lebensende bevorsteht", kommentiert Thomas Smith von der Virginia Commonwealth University Medical School in Richmond in einem Leitartikel in JAMA.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.