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Technische Chemie: Dem Lochfraß auf der Spur

Auch rostfreier Stahl kann sehr schnell korrodieren, wenn nur entsprechende Bedingungen vorliegen. Nun konnten Wissenschaftler zum ersten Mal die schlagartige Materialveränderung auf mikroskopischer Ebene beobachten.
Rostfreie Stähle, die eigentlich korrosionsresistent sein sollten, können lokalem Lochfraß zum Opfer fallen, was häufig ganze Bauteile versagen lässt. Allein in den USA belaufen sich die jährlichen Verluste durch Korrosion auf etwa drei Prozent des Bruttosozialprodukts. Etwa ein Drittel der Ausfälle chemischer Anlagen sind auf lokale Korrosion zurückzuführen. Doch was nagt an dem sonst so widerstandfähigen Material?

Vor dem eigentlichen Lochfraß bilden sich in der schützenden Oxidhaut der Stähle winzige, metastabile Löcher von wenigen Mikrometern Durchmesser, so genannte Pits. Jeder Pit erzeugt während seines Entstehens einen sekundenlangen kleinen Strompuls, der die chemische Reaktion anzeigt. Wie sich zeigte, setzt die Lochfraßkorrosion plötzlich ein. Bei geringsten Veränderungen der äußeren Bedingungen – Potenzialänderungen, Schwankungen der Lösungskonzentrationen oder der Temperatur etwa – kann die Korrosionsrate extrem ansteigen.

Korrosionsschaden | Drei aufeinanderfolgende "Schnappschüsse" veranschaulichen die Ausbreitung eines Korrosionsschadens in der schützenden Oxidschicht eines rostfreien Stahls.
Obwohl die Prozesse, die zum Auftreten einzelner Pits führen, bereits relativ gut erforscht sind, war das plötzliche Auftreten von Lochfraß bislang ungeklärt. Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts haben in Zusammenarbeit mit einem Team von der Universität Virginia deshalb neue mikroskopische Methoden entwickelt, um den Beginn des Lochfraßes in Echtzeit beobachten zu können. Eine dieser Methoden, die Ellipsomikroskopie zur Abbildung von Oberflächen, macht die sich ausbreitenden Schädigungen der Oxidschicht nun sichtbar.

Daneben verfolgten die Forscher um Christian Punckt unter einem hochauflösenden und kontrastverstärkten optischen Mikroskop die Entstehung einzelner Pits und ihr kollektives Verhalten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das plötzliche Auftreten von Lochfraßkorrosion auf eine explosionsartige Vermehrung der Pits zurückzuführen ist – einer Kettenreaktion gleich. Im Rahmen einer Computersimulationen gingen die Wissenschaftler von der Annahme aus, dass sich ein neuer Pit mit hoher Wahrscheinlichkeit in der unmittelbaren Umgebung bereits vorhandener Pits bildet. Tatsächlich ließ sich dieser Lawineneffekt auch bei den Computermodellen beobachten.

Immerhin können die Forschungsergebnisse vielleicht dazu beitragen, derartige Korrosionsprozesse in Zukunft zu vermeiden. So gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich die Schädigung der Stahloberflächen durch Optimierung der Stahllegierung oder Veränderung der korrosionsverursachenden Lösung verhindern lässt.
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