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Kuriose Krise: Dem Panamakanal geht das Wasser aus

Wassermangel wird zu einem chronischen Problem für den Panamakanal. Dieses Jahr verschärfen gleich mehrere Faktoren die Situation - und es wird in Zukunft eher schlechter als besser.
Luftbild eines Kanals zwischen bewaldeten Hügeln, darauf zwei große Containerschiffe.
Quer durch den tropischen Regenwald verbindet der Panamakanal Pazifik und Atlantik. Allerdings nicht auf Höhe des Meeresspiegels, sondern 26 Meter darüber. Das verursacht jetzt erhebliche Wasserprobleme.

Die Situation erinnert ein bisschen an die Havarie der »Ever Given« auf dem Sueskanal im März 2021 – nur dass sich diesmal das Wetter querstellt statt eines außer Kontrolle geratenen Containerschiffs. Damals war die »Ever Given« auf Grund gelaufen und hatte vor einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt einen enormen Schiff-Stau verursacht. Nun macht ungewöhnliche Trockenheit den Panamakanal immer schlechter passierbar. Um Wasser zu sparen, durchqueren seit Monaten weniger Schiffe die künstlich angelegte Fahrrinne, und auch der Wasserspiegel liegt zwei Meter niedriger als um diese Zeit üblich. Schon jetzt warten rund 200 Schiffe an den Einfahrten zu den Kanalschleusen. Im schlimmsten Fall könnte der Kanal, auf dem jedes Jahr rund 14 000 Schiffe die Landenge zwischen Atlantik und Pazifik überqueren, teilweise unbenutzbar werden.

Man muss sich Panama aber keineswegs als Wüste vorstellen – das Land in Mittelamerika ist eines der fünf regenreichsten Länder der Welt. Selbst wenn die Hälfte des Jahresniederschlags ausbleibt – wie derzeit in Teilen des Landes der Fall –, regnet es dort noch 50 Prozent mehr als in Deutschland. Mehr als genug Wasser für die gut vier Millionen Menschen zählende Bevölkerung des Landes.

Der Kern des Problems ist vielmehr der immense Wasserbedarf des Kanals selbst. Durch seine besondere Konstruktion braucht der Panamakanal laufend Nachschub, und zwar umso mehr, je mehr Schiffe den Wasserweg nutzen. Anders als der Sueskanal oder der Nord-Ostsee-Kanal verläuft der Panamakanal nicht auf Höhe des Meeresspiegels, sondern überquert – und durchschneidet – in 26 Meter Höhe eine Hügelkette, die sich der Länge nach durch die Landenge zieht.

Die Kanalschleusen verbrauchen enorm viel Wasser

Mehrere gigantische Schleusen sorgen dafür, dass die Schiffe den Höhenunterschied überwinden können – und das allein mit Hilfe der Schwerkraft, die Wasser aus den höchsten Abschnitten des Kanals bergab fließen lässt. Die Schleusen füllen sich mit Wasser aus dem höher liegenden Teil des Kanals; wenn ein Schiff abgesenkt wird, lässt die Schleuse das Wasser einfach auf dem niedrigeren Niveau wieder ab.

Dadurch kommen die Schleusen ohne Pumpen aus, das Prinzip hat jedoch einen großen Nachteil. Für jedes Schiff, das den Kanal durchquert, fließen 200 000 Tonnen Wasser aus dem Kanal ins Meer. Zwar verwenden seit 2016 neue Schleusensysteme mit Speicherbecken einen Teil des Wassers wieder – doch die deutlich größeren Schleusenkammern brauchen auch mehr davon. Das Wasser kommt aus dem Gatun-See, einem künstlichen Reservoir am höchsten Punkt des Panamakanals. Mit dem Wasserstand dort steht und fällt der ganze Kanal. Und gespeist wird der See von Regenwasser.

Da ist es natürlich unpraktisch, dass Panama gerade eines der zwei trockensten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen vor 143 Jahren erlebt. In einigen Teilen der Region fiel bisher lediglich die Hälfte des normalen Niederschlags. Der Wasserspiegel im Gatun-See ist deswegen immer noch niedriger als normal, und das, obwohl der August mitten in der wasserreichen Regenzeit von Mai bis Dezember liegt.

Um Wasser zu sparen, dürfen derzeit nur 32 Schiffe pro Tag den Kanal passieren statt wie üblich 35 bis 36. Und statt 50 Fuß (15,24 Meter) Tiefgang dürfen sie derzeit nur maximal 44 Fuß (13,41 Meter) tief ins Wasser reichen. Diese Einschränkungen haben bereits zu einem Stau von derzeit rund 200 Schiffen und Wartezeiten von bis zu drei Wochen geführt – und sie gelten mindestens noch für die nächsten zehn Monate bis zum Beginn der nächsten Regenzeit.

Abholzung, Klimawandel, Verdunstung

Der Wassermangel ist das Ergebnis einer Kombination von Faktoren, von denen die Mehrzahl menschengemacht ist. Und vor allem ein chronisches Problem, das immer wieder zu Durchfahrtsbeschränkungen führt. Ein wichtiger Faktor ist, dass der See nach und nach vom Wassernachschub aus der umgebenden Landschaft abgeschnitten wird. Immer mehr natürlicher Regenwald wird in der weiteren Umgebung des Sees abgeholzt – Bäume, die normalerweise ihrerseits Wasser speichern und nach und nach an den See abgeben.

Der Verlust des Waldes hat einen doppelten negativen Effekt. Zum einen fließt Regenwasser vom kahl geschlagenen Land direkt in den See, so dass dessen Wasserspiegel in der Regenzeit stark steigt – manchmal zu stark. Ein Teil des Wassers muss abgelassen werden und fehlt dann während der Trockenzeit. Zusätzlich spült dieses Wasser Schlamm und Sand in den See, so dass dessen Volumen langsam weniger wird. Das ist umso schlimmer, als das Wasser, das am Ende der Regenzeit den Gatun-See füllt, tatsächlich fast das gesamte für den Schleusenbetrieb zur Verfügung stehende Wasser ist. Die stille Reserve im Wald wird immer weniger.

Dadurch trifft eine Trockenphase, wie sie seit einiger Zeit in vielen Gebieten Zentralamerikas herrscht, den Kanal viel härter, als wenn der Wald gesund wäre. Zuletzt hatten sehr trockene Jahre 2019 und 2020 zu Beschränkungen beim Verkehr auf dem Kanal geführt. Und die Dürren ihrerseits werden von mehreren Einflüssen verschärft. Einerseits wird die Region seit Jahrzehnten trockener, ein Trend, der vermutlich auf natürliche Klimazyklen zurückgeht.

Andererseits verstärkt auch der Klimawandel die Häufigkeit schwerer Dürren. So berechneten Fachleute in einer Studie über die regionale Dürre von 2015 bis 2019, dass diese Trockenphase durch den Klimawandel rund viermal wahrscheinlicher geworden war. Auch langfristig macht der Klimawandel Panama wohl trockener. Modelle zeigen im Landesinneren insgesamt abnehmende Regenfälle, vor allem in der Regenzeit.

Inflation statt Sensation

Und es sind nicht nur geringere Niederschläge, durch die der Klimawandel den Kanal in Schwierigkeiten bringt. Ein anderer wichtiger Faktor sind höhere Temperaturen. Nach Angaben der Weltmeteorologieorganisation WMO sind die Durchschnittstemperaturen in Zentralamerika um knapp ein Grad gestiegen – und je wärmer es ist, desto mehr Wasser verdunstet von der 470 Quadratkilometer messenden Oberfläche des Gatun-Sees.

Zu diesen langfristigen Problemen hinzu kommt dieses Jahr außerdem noch El Niño. In El-Niño-Jahren beginnt die Trockenzeit in Panama früher als normal, so dass noch weniger Wasser den Gatun-See auffüllt. Gleichzeitig macht das warme Wasser im tropischen Pazifik auch die Luft über Zentralamerika wärmer und erhöht so weiter die Verdunstung. Fachleute rechnen damit, dass das nächste Jahr wegen El Niño ebenso trocken sein wird.

Dadurch allein fällt der Panamakanal selbstverständlich noch nicht trocken. Aber die Wassersparmaßnahmen haben merkliche Folgen für die Schifffahrt. Rund zehn Prozent weniger Schiffe dürfen derzeit durch den Kanal passieren, bis zu drei Wochen warten sie, um in den Kanal einfahren zu können. Zusätzlich müssen die größten Containerschiffe sogar einen Teil ihrer Ladung löschen und per Eisenbahn zum anderen Ende des Kanals bringen lassen.

Die gute Nachricht ist, dass die Auswirkungen der Trockenheit am Panamakanal selbst im schlimmsten Fall weit geringer sind als nach der Havarie der »Ever Given«. Erstens ist der Panamakanal weniger zentral für die globale Schifffahrt als der Sueskanal, und zweitens ist es unwahrscheinlich, dass der Kanal durch Dürre vollständig unpassierbar wird. Womöglich wird es jedoch durch Einschränkungen und Verzögerungen in Zukunft für viele Schiffe unwirtschaftlich, den Kanal zu nutzen. Da Containerschiffe außerdem seit Jahrzehnten immer größer werden, könnte der Panamakanal langfristig an Bedeutung verlieren.

Kurzfristig allerdings entstehen durch das Wasserproblem des Panamakanals zusätzliche Kosten, die über kurz oder lang an die Verbraucher weitergegeben werden. Im Juni begann zum Beispiel die Reederei Hapag-Lloyd, für jeden Container, der durch Panama hindurchmuss, 500 Dollar mehr zu berechnen. Damit folgt auch die Dürre am Kanal einem Muster, das sich bei vielen Folgen des Klimawandels abzeichnet: Sie verursacht keine spektakulären Bilder, sondern vor allem schleichende Inflation.

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