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Demenztherapie: Startschuss für Alzheimer-Medikament Lecanemab in der EU

Lecanemab soll bei Alzheimer im Frühstadium helfen. In Deutschland und Österreich ist das Antikörpermedikament ab dem 1. September 2025 erhältlich. Längst nicht alle Patienten profitieren davon, zudem ist die Therapie teuer und nicht ohne Risiken.
Zerfallendes Gehirn

Der Antikörper Lecanemab, den die EU-Kommission am 15. April 2025 zur Alzheimertherapie zugelassen hat, ist seit dem 1. September 2025 offiziell in Deutschland und Österreich erhältlich. Die beiden sind damit die ersten Länder in der Europäischen Union, in denen das unter dem Namen Leqembi vertriebene Mittel der Pharmaunternehmen Biogen und Eisai verfügbar wird. Klinische Studien haben bisher allerdings nur für eine kleine Untergruppe der Alzheimererkrankten einen klinischen Nutzen belegt. Denn um eine Wirkung zu erzielen, muss man das Medikament bereits in einem sehr frühen Krankheitsstadium anwenden – noch bevor Demenzsymptome deutlich zutage treten. 

Lecanemab in der EU eingeschränkt zugelassen

Im April 2025 hatte die EU-Kommission Lecanemab deshalb zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung im frühen Stadium der Alzheimerkrankheit zugelassen. Betroffene entwickeln in dieser Phase erste Gedächtnis- und Denkstörungen, die sie im Alltag jedoch noch nicht sonderlich einschränken. Allein in Deutschland fallen laut Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) aktuell vermutlich etwa 250 000 Menschen in diese Gruppe.

Das Mittel sollen zunächst aber nur jene Patientinnen und Patienten bekommen, in deren Erbgut sich lediglich eine oder keine Kopie von ApoE4 findet. Diese Genvariante ist ein bekannter Risikofaktor für Alzheimer. Bei Erkrankten mit zwei ApoE4-Kopien ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Nebenwirkungen der Therapie erhöht. Zu ihnen zählen etwa gefährliche Schwellungen und Blutungen im Gehirn.

Diese Effekte waren der Hauptgrund, warum die europäische Arzneimittelbehörde EMA bei ihrer ersten Prüfung im Sommer 2024 keine Zulassung von Leqembi empfahl. In einer zweiten Prüfung Ende 2024 kam der Humanarzneimittelausschuss der EMA zu dem Schluss, dass der Nutzen von Lecanemab bei Menschen mit weniger als zwei ApoE4-Kopien die Risiken der Therapie überwiege. Diese Gruppe macht dem DZNE zufolge in Deutschland etwa 80 Prozent der Alzheimerpatienten aus. Um sicherzustellen, dass nur jene Personen an das Mittel kommen, die auch einen Nutzen davon haben, wird es ein EU-weites Register aller Patienten geben.

Hohe Kosten der Alzheimertherapie 

Das Unternehmen Eisai beziffert den Herstellerpreis auf 310 Euro pro Zwei-Milliliter-Packung und auf 615 Euro pro Fünf-Milliliter-Packung. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) liegt der Verkaufspreis für die kleine Packung zunächst bei 403,27 Euro und bei 788,86 Euro für die große Packung. Für wie viele Dosen die Mengen reichten, sei vom Gewicht des jeweiligen Patienten abhängig, erklärte ein Eisai-Sprecher. 

Der ABDA rechnet vor, dass für eine 70 Kilogramm schwere Person pro Infusion etwa 7 Milliliter Konzentrat – also eine große und eine kleine Packung – benötigt würden. Die Behandlung muss alle zwei Wochen wiederholt werden. Daraus ergibt sich ein jährlicher Gesamtpreis von knapp 31 000 Euro. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, rechnet mit etwa 24 000 Euro Kosten pro Jahr pro Patient. Zusätzliche Aufwendungen für Tests, die Durchführung der Therapie und die Überwachung der Behandelten könnten sich auf etwa 10 000 Euro belaufen. Die Kosten sollen in Deutschland zunächst von den Kassen übernommen werden.

Eine Herausforderung für die Kliniken

Bevor Leqembi eingesetzt werden kann, müssen Ärztinnen und Ärzte erst in Tests eine beginnende Alzheimererkrankung nachweisen und die Anzahl der ApoE4-Genkopien bestimmen. Zu Beginn und während der Therapie sind außerdem regelmäßige Kernspintomografien des Gehirns notwendig, um mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen. Das mache die Behandlung sehr komplex und aufwändig, so Klaus Fließbach, Neurologe am Universitätsklinikum Bonn. Während jeder Infusion sowie mehrere Stunden danach müssen Behandelte zudem im Krankenhaus überwacht werden. »Dafür sind entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Räumlichkeiten erforderlich«, erläutert der Mediziner, und er ergänzt: »Aufgrund dieses hohen Aufwands wird es nicht möglich sein, unbegrenzt viele Patienten gleichzeitig zu behandeln.« Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) könnte sich der Start in einigen Kliniken deshalb verzögern. Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln, sieht die Krankenhausambulanzen »grundsätzlich gut aufgestellt, um mit der Therapie mit Leqembi zu beginnen«. Konkret sei dies jedoch auch abhängig von den Kapazitäten der einzelnen Zentren, etwa im Blick auf Personal, MRT- und Infusionsplätze. 

Die meisten Alzheimertherapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht aber die Prozesse, die ihnen zu Grunde liegen. Lecanemab setzt hingegen bei den Amyloid-Ablagerungen im Gehirn an. Der Antikörper richtet sich gegen fehlgefaltete Proteine, die zu den Plaques verklumpen, und soll dadurch den Verlauf der Krankheit um einige Monate verlangsamen. Eine Heilung ermöglicht der Wirkstoff allerdings ebenfalls nicht. Ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht. (dpa/mmm)

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