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News: Demokratische Königin

Das Zusammenleben vieler Säugetiere läuft streng geregelt nach einer Rangordnung ab. So auch bei Löwen, bei denen ein oder zwei ranghohe Männchen ein Rudel dominieren. Diese strikte Hierarchie gilt jedoch nur für die Männchen. Löwinnen zeigen dagegen ein ausgesprochen "demokratisches" Verhalten: Ohne sichtbare Rangordnung ziehen die Tiere ihre Jungen gemeinsam auf und unterscheiden sich damit auch von Geschlechtsgenossinnen anderer Arten.
Er gilt als "König der Tiere", aber mitunter benimmt er sich nicht gerade majestätisch: der Löwe. Sobald ein Männchen die Herrschaft über ein Rudel erlangt, schreckt es vor Kindermord nicht zurück. Gnadenlos tötet es die Jungtiere, die von seinem Vorgänger stammen könnten. Seine Haremsdamen sind dadurch wieder paarungsbereit, sodass die Gene des Rudelkönigs schnell weitergegeben werden können. Andere Löwenmännchen des Rudels haben bei der Vermehrung schlechte Chancen. Eine strenge Rangordnung beherrscht die Gruppe, in der ein oder zwei so genannte Alpha-Männchen sowohl beim Fressen als auch bei der Paarung absoluten Vorrang genießen.

Solche Rangordnungen sind bei Säugetieren weit verbreitet. Sie betreffen in der Regel auch die Weibchen einer Gruppe. So achten bei Wölfen die Alpha-Weibchen darauf, dass sich ihre Geschlechtsgenossinnen bei der Paarung zurückhalten. Es setzen sich daher vor allem die Gene der ranghohen Tiere – sowohl der Männchen als auch der Weibchen – durch.

In Löwenrudeln werfen meist mehrere Weibchen Junge, jedoch hatten die Wissenschaftler bisher wie selbstverständlich angenommen, dass es auch bei den Weibchen eine Rangordnung gibt. Craig Packer, Anne Pusey und Lynn Eberly waren sich da nicht ganz so sicher. Die Wissenschaftler von der University of Minnesota beobachten Löwen im Serengeti-Nationalpark Tansanias schon seit 1960 und hatten dabei die Dominanz männlicher Alpha-Tiere genetisch nachgewiesen. Doch wie sieht es bei den Weibchen aus?

Die Frage ist nicht ohne weiteres zu beantworten, da sich die Löwinnen bei der Niederkunft zurückziehen. Die Forscher konnten also nicht unmittelbar beobachten, welches Jungtier von welcher Mutter stammt. Sie griffen daher auch hier wieder auf eine DNA-Analyse zurück und ermittelten bei 31 Rudeln die genetische Mutter der einjährigen Jungtiere.

Obwohl die Zahl der Jungtiere von Rudel zu Rudel stark variierte – mal hatten die Weibchen nur ein bis zwei Junge pro Jahr, mal vier oder mehr –, fanden die Forscher keinen Hinweis, dass ein bestimmtes Weibchen in einer Gruppe in der Reproduktion am erfolgreichsten war.

Auch beim Fressen zeigten sich die Weibchen ausgesprochen "demokratisch": Hier hatte stets das Weibchen den Vorrang, das zuerst eine Beute erreichte – auch wenn es sich nur um ein Jungtier handelte. Männliche Alpha-Tiere pochten dagegen stets auf ihre Rechte.

Doch warum verzichten die Löwinnen auf eine Rangordnung? Dies widerspricht dem Verhalten anderer Tiere, bei denen sich rangniedrigere Weibchen willig unterordnen. Das Verletzungsrisiko lohnt meist einen Kampf mit anderen Weibchen nicht, denn die Gruppenangehörigen sind untereinander verwandt, sodass einige Gene der rangniedrigeren Tiere zum Zuge kommen, auch wenn sich diese selbst nicht vermehren.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Löwinnen dagegen von der gemeinsamen Aufzucht der Jungen profitieren. Diese kann nur stattfinden, wenn auch alle Weibchen die Chance zur Vermehrung haben. Würde ein Alpha-Weibchen die Jungtiere anderer Weibchen töten – so wie das ihre männlichen Artgenossen tun – dann hätten ihre eigenen Jungen schlechtere Überlebenschancen, da die gemeinsame Kinderstube fehlte. Dieses kooperative Verhalten macht eine Löwin, nach Ansicht von Packer, zur wahren Königin der Tiere.

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  • Quellen
University of Minnesota
Science 293(5530): 690–693 (2001)

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