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News: Den Mond trifft keine Schuld

Immer wieder äußern Krankenhauspatienten den Wunsch, bei einer bestimmten Mondphase operiert zu werden. Sie glauben, das Risiko für Komplikationen sei dann geringer. Doch bereits vor zwei Jahren wurde in einer Studie festgestellt, daß der Erfolg von Transplantationen künstlicher Gelenke unabhängig vom Stand des Mondes ist. Jetzt weist eine zweite Untersuchung nach, daß auch bei anderen chirurgischen Eingriffen kein Zusammenhang zwischen Mondphasen und Problemen während oder nach der Operation besteht.
Weder Vollmond noch zu- oder abnehmender Mond führen zu signifikanten Erhöhungen von Operationskomplikationen. Dies ergab eine Studie österreichischer Universitätskliniken, die die postoperativen Entwicklung von rund 15 000 Patienten rückwirkend bis ins Jahr 1990 erhoben hat. "Es zeigte sich, daß sich nicht einmal eine Tendenz in die behauptete Richtung abzeichnete", so die Autoren der Studie unter der Leitung von Josef Smolle von der Grazer Uni-Klinik für Dermatologie und Venerologie.

Gerade weil die Einstellung des Patienten für den Krankheitsverlauf mitentscheidend sein kann, stelle jede Verunsicherung von Patienten in Hinblick auf die Relevanz von Mondphasen "einen Akt bedenklicher Verantwortungslosigkeit dar", so die Autoren.

Die Zahl der Patienten, die ihren Lebensrhythmus nach dem Mondkalender ausrichten und demnach auch bei geplanten Operationen zum "richtigen Zeitpunkt" behandelt werden wollen, werde immer größer, so Brigitta Bunzel von der Klinischen Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie der Wiener Universitätsklinik für Chirurgie. "Eine Arbeit wie die vorliegende war daher längst notwendig", so die Ärztin in einem Kommentar zum Ergebnis der Studie. Sie rät dennoch, die Wünsche der Patienten ernst zu nehmen: "Wenn Personen glauben, Ereignisse durch die Wahl des perfekten Zeitpunktes kontrollieren zu können, verringert sich die Angst vor dem Ereignis", so die Medizinerin.

Als Kriterium der Untersuchung, die man an Patienten mit allgemeinchirurgischen, plastischen, gefäßchirurgischen, thorax- und herzchirurgischen Eingriffen durchgeführt hat, wurde der Tod des Patienten während der Operation oder innerhalb eines Zeitraumes von 30 Tagen gewählt. In einer Parallelstudie mit 600 Thorax-Patienten wurde das Auftreten jedweder Komplikation erhoben.

Von den 14 970 Patienten verstarben 189 innerhalb von 30 Tagen nach der Operation, was einer allgemeinen Mortalitätsrate von 1,28 Prozent entspricht. 50,7 Prozent wurden bei zunehmendem und 49,3 Prozent bei abnehmendem Mond operiert. Die Zahl der Todesfälle betrug 91 bei zunehmendem und 98 bei abnehmendem Mond. Die Mortalität der bei Vollmond operierten Patienten betrug 1,16 Prozent. Signifikanzen seien auch nicht im zweiten und dritten Viertel des Mondphasen eingetreten, so die Studienautoren. Auch zeigte das Geschlecht der Patienten keinen Zusammenhang mit Komplikationen. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei den 600 Thorax-Patienten. Bei 294 Patienten, die bei zunehmendem Mond operiert worden waren, traten bei 69 Komplikationen auf, bei 306 Patienten, die bei abnehmendem Mond "unter das Messer" kamen, 87.

Das auf Hippokrates zurückgehende Diktum "Berühre nie mit Eisen jenen Teil des Körpers, der von dem Zeichen regiert wird, das der Mond gerade durchquert" wird im fünften vorchristlichen Jahrhundert sicher einen höheren Einfluß gehabt haben als heute, so Ernst Eigenbauer vom Wiener Institut für Medizinische Computerwissenschaft: Gezielte Kreislaufkontrolle, Computermonitoring, sterile Umgebung, hochspezialisierte Nachversorgung, Antibiotika usw. würden heute den Mondeinfluß – wenn überhaupt vorhanden – zu einem "Statisten" degradieren.

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