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News: Den Rätseln der antiken Sabaeerkultur auf der Spur

Gerade zurückgekehrt von einer vierwöchigen Expedition in den Südwesten der arabischen Halbinsel, ist der Jenaer Orientalist Prof. Dr. Norbert Nebes beinahe mehr von den Fährnissen in der politischen Krisenregion als von den brisanten Ergebnissen seiner kulturhistorischen Forschungen gezeichnet. Nebes gehört als Epigraphiker dem Deutschen Archäologischen Institut an, das die Überreste der vorislamischen Sabaeerkultur ausgräbt.
"Die Königin von Saba ist zwar Legende, aber heute wissen wir, daß es zwischen 800 vor und 600 nach Christi Geburt im Jemen eine hochentwickelte antike Zivilisation gab, die ebenso bedeutsam wie die ägyptische oder mesopotamische war", berichtet Nebes.

Daß in einigen Jahren auch die Lehrbücher für den Geschichtsunterricht ergänzt werden müssen, steht für den Wissenschaftler der Universität Jena außer Frage. Denn schon allein die Sabaeische Konsonantenschrift, die auf dieselbe protokanaanaeische Wurzel wie unser heutiges Alphabet zurückgeht, liefert ein beredtes Zeugnis von einer jahrhundertelangen Hochkultur, die Handel und Diplomatie bis ans Mittelmeer und den persischen Golf betrieb. Nebes ist außer seinem Marburger Lehrer Müller der einzige Orientalist in Deutschland, der das Sabaeische fließend zu lesen versteht.

Diesmal konzentrierten sich die Forschungen, die vom Deutschen Archäologischen Institut in Sana aus geleitet werden, auf eine riesige Tempelanlage im Nordosten des Jemen. Der Awam-Tempel in der Oase von Marib ist die größte antike Tempelanlage auf der arabischen Halbinsel und besteht aus einer Ringmauer mit über 350 Metern Länge und großen Gräberfeldern, die in Nebes' Augen quasi ein steinernes Archiv der antiken Sabaeerkultur bergen – "epigraphisch ein El Dorado", schwärmt er. Hier finden sich etwa Dankadressen an den Gott Almaqah für privates Glück wie auch gelungene Feldzüge. So weiß Nebes heute, daß die Sabaeer im 7. Jahrhundert vor Christus einen erfolgreichen Vernichtungskrieg gegen Ausan im Südosten um die Kontrolle der Weihrauchstraße führten. "Weihrauch hatte in jenen Tagen etwa die zivilisatorische Bedeutung wie heute Rohöl", erläutert der Jenaer Orientalist.

Stück für Stück rekonstruieren die Wissenschaftler das Panorama der Sabaeerkultur. Eine Handels- und Kriegsmacht, aber auch eine landwirtschaftlich blühende Kultur mit ingenieurtechnisch beeindruckenden Bewässerungssystemen existierte in einer Region, die heute von Armut und Wüste geprägt ist. Erst allmählich nimmt die Region heute wieder einen wirtschaftlichen Aufschwung. "Marib ist ein Gebiet, in dem die alten Stammesstrukturen nach wie vor eine bedeutende Rolle spielen und sich die von Sana ausgehende staatliche Ordnungsmacht nur schwer durchsetzt", berichtet Nebes. Daß sein Team auf dem Weg zu den Grabungsarbeiten von einer bis an die Zähne bewaffneter Teenager-Soldateska eskortiert wird, erfüllt ihn mit gemischten Gefühlen. Das Schicksal des Jenaer Naturforschers Ulrich Jasper Seetzen, der 1811 als einer der ersten mit einer Expedition ins Sabaeer-gebiet aufgebrochen und verschollen ist, befürchtet Norbert Nebes nicht teilen zu müssen: "Die Arbeit des ganzen Teams ist aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit mit den Stämmen inzwischen relativ ungefährlich."

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