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Verseuchtes Denkmal: Marie Curies radioaktives Labor darf stehen bleiben

Denkmalschützer haben in Paris den für heute geplanten Abriss eines radioaktiv verseuchten Gebäudes verhindert, der einst zu dem von Marie Curie gegründeten Radium-Institut gehörte.
ein gelber Backsteinbau vom Anfang des 20. Jahrhunderts, eine kleine Steintreppe führt zum Eingang
Der Pavillon des Sources wird vorerst nicht abgerissen.

Eigentlich hätte heute der letzte Tag des Pavillon des Sources anbrechen sollen, eines kleinen Backsteingebäudes vom Anfang des letzten Jahrhunderts, einst Teil des von Marie Curie ins Leben gerufenen Radium-Instituts. Nach den Plänen des Curie-Instituts, dem der Bau gehört, würde er jetzt abgerissen, um für ein neues Forschungsgebäude Platz zu machen. Denn der Pavillon wird seit Jahren nicht benutzt: Er ist faktisch unbegehbar, weil er stark radioaktiv belastet ist. Doch quasi in letzter Minute wurden Denkmalschützer auf das Vorhaben aufmerksam, schalteten den französischen Präsidenten ein – und das Ministerium für Kultur stoppte das Projekt.

Schauplatz des Ganzen ist der Pariser Campus des heutigen Curie-Instituts, mitten in der Hauptstadt im berühmten historischen Quartier Latin. An der Forschungseinrichtung, hervorgegangen aus dem von der Nobelpreisträgerin gegründeten Radium-Institut, arbeiten heute an drei Standorten mehr als 3000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Methoden, Krebs zu bekämpfen. Nun sollte ein neues Gebäude entstehen – fünf Stockwerke hoch, mit 2000 Quadratmetern Platz für ein neues Zentrum, das chemische und biologische Krebsforschung vereint.

Ein neues Krebsforschungszentrum mitten in Paris

Dafür müsste der Pavillon des Sources weichen. So geplant und offiziell genehmigt von den französischen Behörden im März 2023. Alles hätte vermutlich seinen Lauf genommen, wäre nicht Baptiste Gianeselli zufällig an dem Gebäude vorbeigekommen und hätte die Freigabe zum Abriss entdeckt. Der Denkmalschützer wunderte sich und stellte Recherchen an, was es mit dem Pavillon auf sich hat – und startete eine Kampagne gegen den Abriss.

Der Pavillon des Sources ist nicht irgendein Gebäude. Zeit ihres Forscherlebens wünschte sich Marie Curie – die Entdeckerin des Radiums und des Poloniums und zweimalige Nobelpreisträgerin – ein eigenes Labor, um das Anfang des Jahrhunderts neu entdeckte Phänomen der Radioaktivität zu erforschen. Auf ihre Initiative hin gründeten die Universität Paris und das Pasteur-Institut 1909 daher das Radium-Institut, das heute im Curie-Institut aufgegangen ist. Drei Gebäude wurden dafür zwischen 1911 und 1914 errichtet: der Curie-Pavillon, in dem Marie Curies Labors untergebracht waren, der Pasteur-Pavillon, in dem Biologen und Biologinnen forschten, sowie der nun in den Fokus geratene Pavillon des Sources.

Über die Frage, was sich dort abspielte, eskalierte in den letzten Tagen ein Streit. Denn laut dem Leiter des Curie-Instituts, Therry Philip, diente es Curie lediglich als Lager für radioaktives Material. Gegenüber dem Nachrichtenportal »Chemistryworld« bezeichnete er es als »100 Quadratmeter voller Radioaktivität, seit fünf Jahren nicht begehbar. Es ist nicht von Interesse.« Dem widersprechen diejenigen, die das Gebäude erhalten wollen, allen voran Gianeselli. Der Ort sei Schauplatz bahnbrechender Entdeckungen und Wirkort von Curie gewesen; das Andenken an die Ikone der Wissenschaft müsse man bewahren. Auf der Plattform X posteten Aktivisten unter dem Hashtag »SauvonsLePavillonDesSources« Belege dafür, dass in dem Gebäude echte Forschung stattgefunden habe.

Zukunft gegen Vergangenheit, Bewahren gegen Fortschritt

Die Kampagne nahm Fahrt auf. Die Entscheidung über den Pavillon wurde rasch zum Politikum und entsprechend polemisch geführt: Zukunft gegen Vergangenheit, Bewahren gegen Fortschritt. Das Gebäude ist faktisch seit fünf Jahren geschlossen, es ist voll von radioaktivem Material. Bevor es abgerissen wird, muss es erst einmal dekontaminiert werden. Marc Joliot, der Urenkel Marie Curies und heute im Aufsichtsrat des Curie-Instituts, gibt sich im Interview mit dem Radiosender »France Info« pragmatisch: »Ich würde den Pavillon gern erhalten, aber das sind 100 verseuchte Quadratmeter, damit kann man nichts anfangen.« Auch er sieht den Zwiespalt, ordnet die Bedeutung des Gebäudes aber ein: »Auf der einen Seite steht die Forschung, die mir außerordentlich wichtig im Kampf gegen Krebs erscheint. Auf der anderen Seite steht ein Erbe, das zweifelsohne ebenfalls wichtig ist, doch das keineswegs das gesamte Erbe darstellt.« Man müsse bedenken, dass es sich nur um fünf Prozent des Erbes handle, welches das Curie-Institut verwaltet und gleichzeitig mit dem Museum finanziert. Feministinnen sahen in dem Abriss einen Affront ausgerechnet gegen Curie, die weltweit als Sinnbild für erfolgreiche Frauen in der Wissenschaft gilt. Schließlich landete eine Petition beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Am 5. Januar hat das Ministerium für Kultur entschieden, die Genehmigung auf Eis zu legen. Vorerst werden keine Abrissbirnen auf dem Curie-Campus vorfahren – und damit gibt es zunächst auch keine neuen Forschungsräume. Der Pavillon selbst bleibt nach wie vor geschlossen. Für die Aktivisten um Gianeselli ist das nur ein Etappensieg: Als Nächstes wollen sie erreichen, dass das über 100 Jahre alte Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wird.

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