Direkt zum Inhalt

News: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Erlernt oder angeboren - darüber streiten sich schon Generationen von Verhaltensforschern. Nicht nur die Gene bestimmen das Verhalten von Vögeln und Säugern, sondern auch die Umwelt hat einen erheblichen Einfluss. So galt bisher als sicher, dass hauptsächlich äußere Faktoren wie Nahrungsangebot oder Feinddruck die Größe von Schwalbenkolonien steuern. Doch dem scheint nicht so zu sein. Es liegt vielmehr in ihrem Erbgut, in welchen Kolonien sich die Schwalben wohl fühlen.
Schwalben sind gesellige Tiere. Das gilt auch für die in Nordamerika beheimatete Klippschwalbe (Petrochelidon pyrrhonota). Zurückgekehrt aus ihrem Winterquartier in Südamerika baut sie im Mai Jahr für Jahr zusammen mit ihren Artgenossen ihr Lehmnest an Hängen oder unter Brücken. Die Jungen schlüpfen im Juni, im Herbst fliegen sie wieder gen Süden. Die Größe der Brutkolonien variiert jedoch beträchtlich – von nur zwei einsamen Pärchen bis hin zu Massenansammlungen von über 3 000 Nestern.

Mary und Charles Brown vom Department of Biological Sciences der University of Tulsa beobachten schon seit langem Schwalbenkolonien am Platte River in Nebraska. Mit Beringungsexperimenten fand das Forscherpaar heraus, dass ihre Schwalben stets die Kolonien bevorzugen, welche die Tiere von ihrer Jugend an kennen: 36 Prozent von insgesamt 1 968 Vögeln kehrten zu ihrer alten Kolonie zurück. Die anderen brüteten zumindest in Kolonien, die in der Größe ihrer Heimatkolonie entsprachen. Wie viele Verhaltensforscher glaubten auch Mary und Charles Brown, dass hauptsächlich äußere Faktoren wie Nahrungsangebot und Feindruck diese Vorlieben steuern. "Wir erwarteten ehrlich gesagt nicht, einen starken genetischen Einfluss zu finden", erzählt Charles Brown.

Doch glauben ist nicht wissen, und so gingen die Wissenschaftler der Sache auf den Grund. Sie beringten fünf Tage alte Küken und platzierten Jungtiere aus großen Kolonien in die Nester von Kleinkolonien und umgekehrt. Im Jahr darauf fingen sie die Tiere in den verschiedenen Gebieten wieder ein und konnten so deren Koloniewahl überprüfen. Zur Überraschung der Wissenschaftler wählten die zurückkehrenden Schwalben die Koloniegröße, die auch ihre leiblichen Eltern bevorzugten, und nicht die ihrer Pflegeeltern (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 19. Dezember 2000, Volltext). "Sie kehren dahin zurück, wo sie geboren sind, unabhängig davon, ob sie dort auch aufwuchsen", erläutert Brown. "Sie wählen die Kolonien, die auch ihre Eltern wählten; es ist also nicht die Umwelt, sondern es sind Gene, die ihre Wahl diktieren."

Warum die Koloniegröße der Schwalben genetisch festgelegt ist, darüber rätseln die Verhaltensforscher noch. Vielleicht könnte dieses Verhalten mit anderen genetischen Eigenschaften verknüpft sein, spekuliert Brown. So hätten Schwalben, die angeborenerweise empfindlich für Parasiten sind, einen Selektionsvorteil, wenn sie nur in Kleinkolonien brüten, in denen nicht das Gedränge der Massen herrscht.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.