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News: Der Duft der Frauen

Weibliche Motten ziehen ihre männlichen Artgenossen an wie das sprichwörtliche Licht. Sie locken mit sexuellen Botenstoffen, und die Männchen können nicht widerstehen. Mit ihren in die Luft gestreckten Antennen fangen sie den Duft auf und leiten den Reiz an das Geruchszentrum des Gehirns weiter. Nach jetzt vorliegenden Ergebnissen feuern die beteiligten Nervenzellen um so stärker, je höher die Konzentration des Lockstoffs in der Luft ist.
Und immer lockt das Weib. Im Tierreich erfolgt die Verführung oft durch besonders aufregende Düfte, die sowohl Männchen als auch Weibchen mehr oder weniger großzügig in ihrer Umgebung verteilen. Die so genannten Pheromone teilen den Geschlechtspartnern die Koordinaten mit, in denen ein Tier nicht ganz abgeneigt ist. Insekten wie die Amerikanische Tabakeule Heliothis virescens nehmen Gerüche über ihre Antennen wahr, die über Hunderte winziger Haare mit den entsprechenden Sensoren verfügen. Treffen kleinste Konzentrationen eines ansprechenden Dufts auf die Härchen, leiten sie Nervenimpulse ans Geruchszentrum des Gehirns weiter, wo die Reize verarbeitet und abschließend in den entsprechenden Flügelschlag, hin zum Objekt, umgesetzt werden.

Um die Auswirkung der Duftnoten auf das entsprechende Gehirnzentrum der Nachtfalter zu untersuchen, machte ein Wissenschaftlerteam um Neil Vickers von der University of Utah eine dreiteilige Versuchsreihe: Zuerst verbanden die Forscher die beiden Enden einer abgetrennten Antenne von einer männlichen Tabakeule mit Elektroden. Hiermit konnten sie die Aktivität messen, mit der die Haarsensoren feuerten. Sie platzierten die Antenne an einem Ende eines Windkanals und bliesen den weiblichen Lockstoff durchs andere Ende in die Röhre. Die Geruchssensoren antworteten auf den Duft und schickten Signale in Richtung Elektroden.

In ihrem zweiten Versuch befestigten die Wissenschaftler die verkabelten Antennen auf den Rücken eines lebenden Falters – und zwar genau zwischen seinen eigenen Antennen. Auf seinem Flug durch den Windkanal variierte die Konzentration des wahrgenommenen Pheromons stark, je nachdem welchen Weg zum Ziel der Falter gewählt hatte. Im dritten Experiment schließlich wurden die Antennen lebender Falter direkt verkabelt, während eine dritte Elektrode die Aktivität im olfaktorischen Zentrum des Gehirns aufzeichnete.

Und hierbei stellten die Neurobiologen etwas Überraschendes fest: Die Ergebnisse zeigten, dass die Dynamik des Duftstoffes – der Konzentrationswechsel über die Zeit oder den Raum – direkt mit der Aktivität der elektrischen Signalen im betreffenden Gehirnbereich korrelierte. "In anderen Worten, die auf Geruch antwortenden Gehirnzellen des Nachtfalters folgten dem Muster und Schwankungen der Geruchswolke, die an ihre Antennen wehten", erklärt Vickers.

Diese Ergebnisse stehen im direkten Widerspruch mit bisher vorliegenden Daten. Bislang waren die Wissenschaftler davon ausgegangen, dass jeder Duftstoff ein spezifisches Aktivitätsmuster, wie einen Code, entstehen ließe und sich die Düfte dadurch unterscheiden würden. Die vorliegende Konzentration sollte bei dem Signalmuster keine Rolle spielen. Doch dem scheint nicht so zu sein. Auch für den Menschen könnten die Untersuchungen interessant sein, denn so sehr sich Motte und Mensch auch äußerlich unterscheiden mögen, in einem Punkt sind sie auf jeden Fall gleich: Die Verschaltung von Geruchswahrnehmung im Gehirn funktioniert bei beiden auf die gleiche Art und Weise.

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  • Quellen
University of Utah
Nature 410: 466–470 (2001)

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