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Neurochemie: Der Duft des Vertrauens

Die Politiker buhlen mit Worten um unser Vertrauen, die Werbung investiert hohe Summen, um es zu gewinnen - dabei wäre ein klein wenig Hormon aus der Spraydose womöglich die einfachste und sicherste vertrauensbildende Maßnahme.
© Ernst Fehr
Die menschliche Gesellschaft wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, gäbe es nicht einen magischen Kitt, der jegliche Form eines Miteinanders erst ermöglicht: Vertrauen. Nur wenn wir von unserem Gegenüber annehmen, dass es uns zumindest nicht schaden will, im günstigeren Fall sogar hilft, nur dann ist ein Zusammenleben denkbar. Ohne Vertrauen keimt keine Freundschaft, keine Liebe, keine Zusammenarbeit, nicht einmal das Selbstverständlichste, das Zusammenleben in der Familie, könnte funktionieren. Denn jeder kümmerte sich nur um sich, schließlich ist von anderen – fehlt das Vertrauen – nichts Gutes zu erwarten. Auch Handel wäre nicht durchführbar, nähme doch jeder vom anderen an, er würde nur nehmen, keinesfalls aber etwas geben.

Produktion von Oxytocin | Oxytocin wird im Hypothalamus gebildet und in den Hypophysenhinterlappen transportiert. Von dort wird es auf neuronale Signale hin direkt ins Blut freigesetzt.
Doch woher kommt das Vertrauen überhaupt, wie entsteht es eigentlich? Noch weiß die Wissenschaft wenig über die biologischen Grundlagen des Vertrauens – erst seit wenigen Jahren interessiert sie sich für die dabei ablaufenden neurobiologischen Prozesse. Bereits bekannt ist, dass bei der Entwicklung sozialer Bindungen Oxytocin eine Rolle spielt. Das Peptid, das im Hypothalamus gebildet wird, ist einerseits als Hormon wichtig beim Geburtsvorgang und beim Milcheinschuss, wirkt andererseits aber auch als Neurotransmitter in Hirnbereichen, die mit Emotionen und Sozialverhalten in Zusammenhang stehen. So trägt es bei Tieren zur Partnerbindung und zur Mutter-Kind-Bindung bei.

Treibt Oxytocin womöglich auch beim Menschen die Annäherung aneinander voran und wirkt gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme? Diese Frage beantworteten nun Ernst Fehr von der Universität Zürich und seine Kollegen mit Hilfe von Studenten, die sie miteinander handeln ließen.

Die Probanden wurden zu wechselnden Paaren zusammengelost, von denen beide Partner je zwölf Geldeinheiten erhielten. Einer von beiden spielte den Investor, der entweder nichts, vier, acht oder alle zwölf Geldeinheiten an den anderen übergeben konnte, der als Vermögensverwalter fungierte. Ein Mittelsmann verdreifachte die transferierte Summe, sodass der Verwalter schließlich über das Dreifache der übergebenen Geldmenge sowie seine eigenen zwölf Geldeinheiten verfügte. Von dieser Summe konnte er dem Investor einen beliebigen Betrag – möglicherweise auch gar nichts – zurückgeben. Nach Abschluss des Handels tauschten beide Partner die ihnen verbleibenden Geldeinheiten in echte Währung um – sie konnten bei dem Spiel also realen Gewinn machen.

Der Investor steckte dabei in einem Dilemma: Sollte er darauf vertrauen, dass der Verwalter sein erworbenes Kapital gerecht mit ihm teilt? Eine solche Fairness brächte dem Treuhänder zwar einen geringeren Gewinn ein, der Investor bekäme sein Vertrauen jedoch mit einem größeren Ertrag honoriert. Oder sollte er lieber Vorsicht walten lassen und davon ausgehen, der andere werde sowieso nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sein und nichts oder nur wenig zurückgeben? In diesem Fall sollte er sich lieber mit seinem Startkapital begnügen oder wenigstens einen Teil davon zurückhalten, um nicht ganz leer auszugehen. Um am Ende möglichst viel Geld einzustreichen, muss der Investor also das Vertrauen in seinen Partner entwickeln, dass dieser schon fair mit ihm teilen wird.

Intranasale Applikation von Oxytocin | Neuropeptide wie Oxytocin überwinden nach Applikation in der Nase die Blut-Hirn-Schranke und gelangen ins Gehirn.
Fehr und seine Mitarbeiter testeten nun, ob Oxytocin diesen Prozess beeinflusst. Dazu ließen sie die Studenten entweder an einer Flasche mit dem Peptid oder mit einem Plazebo schnuppern. Das Hormon gelangt nach dem Einatmen ins Gehirn, wo es deutliche Wirkung zeigte: Die mit Oxytocin behandelten Probanden waren wesentlich vertrauensvoller. 45 Prozent von ihnen überreichten dem Vermögensverwalter ihr komplettes Startkapital, bei der Plazebogruppe konnten sich lediglich 21 Prozent dazu durchringen – die meisten von ihnen blieben ausgesprochen misstrauisch und investierten weniger als acht Geldeinheiten.

Nun wäre es denkbar, dass das Hormon nicht vertrauensvolles Verhalten fördert, sondern einfach nur die Risikobereitschaft erhöht. Dies war aber nicht der Fall, denn handelten die Probanden nicht mit einem Menschen sondern einem Computer, der ihnen eine per Zufall ausgewählte Summe zurückgab, verhielten sich die unter Oxytocin-Einfluss stehenden Testpersonen nicht anders als die Kontrollgruppe. In diesem Fall war der Faktor Fairness als Entscheidungsmotivation für den Verwalter ausgeschaltet, und der Investor konnte sich nach reiner Risikokalkulation ohne soziale Interaktion entscheiden.

Da Oxytocin in diesem Versuchsaufbau keinen Einfluss zeigte, steigerte das Peptid tatsächlich gezielt das Vertrauen in den Partner. Bleibt nur zu hoffen, dass nicht skrupellose Händler und Politiker die Substanz in Spraydosen verpacken und großzügig um sich verteilen, um das Vertrauen der Menge für sich zu gewinnen – nur um es dann zu missbrauchen.

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