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Gedächtnis: Der Egozentriker in uns

Unser Arbeitsgedächtnis verarbeitet Informationen besser, wenn sie mit uns selbst zu tun haben.
Eine Frau kniet vor einem Spiegel und streckt die Hand nach ihrem Spiegelbild aus.

Auch wenn es niemand gern zugibt: Uns allen wohnt eine gewisse Selbstbezogenheit inne. So erinnern wir uns etwa nach einer Veranstaltung mit fremden Menschen am ehesten an diejenigen, mit denen wir über uns selbst gesprochen haben. Dieser Selbstreferenzeffekt beim Langzeitgedächtnis ist gut untersucht. Doch findet er sich ebenfalls bereits auf der Ebene des Arbeitsgedächtnisses, das als Bindeglied zwischen Mensch und Umwelt dient?

Wissenschaftler aus China, Großbritannien und den USA haben diese Vermutung nun mit Hilfe eines Experiments bestätigt. Hierzu lernten 104 Studenten drei verschiedene Farbkreise mit den Begriffen »Ich«, »Freund« oder »Fremder« zu assoziieren. Anschließend erschienen eine Sekunde lang zwei der Farbkreise auf einem Bildschirm. Nach fünf Sekunden sahen die Probanden einen schwarzen Kreis und sollten so schnell wie möglich per Tastendruck entscheiden, ob sich dieser an der gleichen Stelle befand wie einer der beiden Farbkreise zuvor.

Die Reaktion erfolgte signifikant schneller, wenn es sich bei der Position um diejenige des ichassoziierten Farbkreises handelte. Dieser Selbstreferenzeffekt trat selbst dann auf, wenn der schwarze Kreis doppelt so häufig auf Positionen des »Freund«- und »Fremder«-Farbkreises erschien. Die Bevorzugung der Ich-Repräsentation im Arbeitsgedächtnis erfolgt also offenbar automatisch, schlussfolgern die Forscher. Somit stellt sich die Frage, inwieweit sich ichzentriertes Denken überhaupt beeinflussen lässt. Da das Arbeitsgedächtnis eine zentrale Rolle bei der Handlungsplanung spielt, ist es wahrscheinlich, dass der Effekt auch unser soziales Leben prägt. In weiteren Studien wollen die Forscher deshalb herausfinden, ob sich durch Experimente dieser Art beispielsweise der Grad egozentrischen Verhaltens vorhersagen lässt.

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