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News: Der falsche Feind

Bei vielen Borreliose-Patienten bricht Wochen oder Monate nach dem Zeckenbiß, der das krankheitsauslösende Bakterium überträgt, eine Arthritis aus. Normalerweise kann diese mittels Antibiotikabehandlung überwunden werden. Doch bei ungefähr 20 Prozent der Patienten bleibt die Krankheit auf mysteriöse Weise bestehen, nachdem die Infektion abgeklungen ist. Neue Ergebnisse weisen darauf hin, daß einige Menschen chronisch erkranken, weil durch die Infektion Immunzellen aktiviert werden, die zum einen das Bakterienprotein angreifen, gleichzeitig aber auch ein in menschlichen Zellen zu findendes Protein.
Bei Patienten, die an einer durch Borreliose bedingten chronischen Arthritis leiden, finden sich sehr häufig Immunzellen mit einer besonderen Molekülvariante, die als DRB1*0401 bezeichnet wird. Die gleiche Variante wird mit der rheumatischen Gelenkentzündung assoziiert, einer Autoimmunkrankheit. Wissenschaftler vermuteten, daß dieses Molekül sozusagen eine Verwechslung begeht: Es hält einen Bestandteil des menschlichen Gelenkgewebes fälschlicherweise für ein Hüllenprotein des Borreliose-Erregers Borrelia burgdorferi. Und tatsächlich fanden 1994 der Wissenschaftler Allen Steere vom New England Medical Center in Boston und seine Kollegen ein Antigen auf dem Bakterium, welches von DRB1*0401 erkannt werden könnte. Immunzellen bei behandlungsresistenten Patienten reagierten auf dieses OspA (outer surface protein A). Das Protein wurde indes nur sehr selten von Zellen jener Patienten wahrgenommen, deren Arthritis auf die Behandlung ansprach.

Steeres Gruppe schloß sich mit der Immunogenetikerin Brigitte Huber von der School of Medicine der Tufts University in Boston und anderen Kollegen zusammen, um nach menschlichen Proteinen zu suchen, die OspA vielleicht ähnlich sind. Die Wissenschaftler fanden tatsächlich ein menschliches Protein, das eine ähnliche Sequenz von neun Aminosäuren enthält – ein als hLFA-1 bezeichnetes Protein, das auf der Oberfläche von Blut- und anderen Zellen auftritt. Als die Forscher T-Zellen von elf Patienten mit behandlungsresistenter Borreliose-Arthritis untersuchten, fanden sie heraus, daß neun von ihnen T-Zellen aufwiesen, die stark auf die Schlüsselbereiche des OspA und auch des hLFA-1 reagierten.

Die Entdeckung könnte sich auf die Entwicklung von Impfstoffen gegen die Borreliose auswirken, von der es jedes Jahr annähernd 16 000 neue Fälle gibt. In zwei neueren groß angelegten klinischen Testreihen erwiesen sich zwei Impfstoffe als äußerst effektiv, die beide aus demselben Bakterienprotein gewonnen werden, das jetzt mit der Autoimmunarthritis in Zusammenhang gebracht wird. Die Wissenschaftler können nicht ausschließen, daß das Protein bei einigen Menschen, die die Impfstoffe erhalten, eine Autoimmunität auslösen könnte.

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