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Ökologie: Der Feind meines Feindes

Der Wirkungskreis von Karpfen, Hecht und Forelle gilt gemeinhin als begrenzt, sie sind schließlich essenziell an ihr Lebenselixier Wasser gebunden. Wie könnten sie da konkret an Land eingreifen? Und doch profitieren manche Blumen von ihrer Hilfe.
Libelle
Das Land ist der Gegner der Fische: Außerhalb des Wassers können die wenigsten von ihnen längere Zeit überleben, und sie sind häufig auf Gedeih und Verderb von Entwicklungen des umgebenden festen Grunds angewiesen. Von dort kommen Beutegreifer, Nähr- und Schadstoffe, Sedimente wie Klimaeinflüsse. Dagegen drücken die Schuppentiere den ökologischen Geschehnisse außerhalb ihres Gewässers nur selten und dann meist eher indirekt einen Stempel auf.

Natürlich, Fische dienen zahlreichen Land basierten Jägern vom kleinen Eisvogel bis hin zum riesigen Braunbären als willkommene Beute, die deren eigenen Energiebedarf vorzüglich deckt. Auf diesem Weg findet dann auch ein Großteil von ins Wasser eingeschwemmten Nährstoffen über den Umweg Darm wieder in die Umgebung zurück, wo die zahlreichen verbleibenden Stickstoff- oder auch Phosphor-Verbindungen die Vegetation neuerlich düngen: Große Waldgebiete in Alaska und Kanada profitieren etwa von diesem Recycling aus verdauten und verwesenden Lachsen, die kurz vor oder nach dem Ablaichen erbeutet wurden oder starben.

Libelle mit Beute | Libellen sind effiziente Insektenjäger, die selbst Beute schlagen, die größer als sie selbst oder mit einem wehrhaften Stachel ausgestattet ist. Häufig erlegen sie dabei Bestäuber – in diesem Fall eine so genannte Bienenfliege (Bombyliidae) –, was natürlich auch Einfluss auf die Pflanzenwelt um die Gewässer hat.
Umgekehrt gibt es ebenso zahlreiche Arten wie den Schützenfisch (Sciaena jaculatrix), die mit einem gezielten Schuss Wasser Insekten direkt in ihr Milieu holen und auf diese Weise den Nährstoffkreislauf etwas abkürzen. Andere fressen wiederum aquatisch verbreitete Pflanzensamen und beeinflussen zumindest derart die Vegetationsentwicklung. Aber darin scheint sich auch schon der Einfluss der Fische auf ihre festländische Umgebung zu erschöpfen.

Oder doch nicht? Denn Biologen um Tiffany Knight von der Universität von Florida in Gainsville haben nun eine Ökosysteme übergreifende Verbindung ausfindig gemacht, die in diesem Falle weit reichende Folgen für das Leben zu Wasser und zu Lande hat. Entdeckt haben sie diese Zusammenhänge in einem Naturschutzgebiet der Hochschule, in dem sich auch mehrere Tümpel mit oder ohne Fischbesatz finden.

Sie betrachteten dabei allerdings nicht nur das Fischleben in den Gewässern, sondern ebenso die Vegetation an den Rändern sowie das Insektenleben darin wie darüber. Zu ihrem Erstaunen beobachteten die Forscher, dass bestimmte Pflanzenarten wie das Johanniskraut (Hypericum fasciculatum) oder das Breitblättrige Pfeilkraut (Sagittaria latifolia) im Umfeld von Fischteichen wesentlich besser prosperierten als an Gewässern ohne diese Tiere: Die Gewächse profitierten dabei besonders von höheren Bestäubungsraten und einer dementsprechend angekurbelten Vermehrung.

Woran liegt dies aber? Schließlich kennt die Wissenschaft noch keine Karpfen-, Barsch- oder Rotaugenarten, die sich der Befruchtung von Wildkräutern widmet. Daher richteten Knight und ihre Kollegen auch ihr Augenmerk auf die entsprechend verantwortlichen Kerbtiere wie Bienen, Kleinschmetterlingen oder Fliegen, die diese Aufgabe gezielt übernehmen und von den Pflanzen dafür mit Nektar belohnt werden – eine wahrhaft mutualistische Beziehung. Und auch deren Populationen waren wesentlich höher an den fischhaltigen Tümpeln; zumal die der Bienen, die an den fischlosen Vergleichsgewässern eindeutig unterrepräsentiert waren.

Nun ist es aber so, dass die meisten Schuppenträger ins Wasser gefallene Insekten nicht verschmähen, wenn sie ihrer habhaft werden. Die Überlebensraten derart in die Bredouille geratener Kerfe wären demnach ohne Fische wahrscheinlich viel höher, und dennoch steuern sie lieber deren Nähe an. Denn, wie heißt es so schön: Der Feind meines Feindes ist irgendwie auch mein Freund.

Die Tierwelt sieht dies selbstverständlich etwas weniger pathetisch, dennoch profitieren zahllose bestäubende Insektenspezies vom Hunger der Fische – auf Libellenlarven. Diese räuberischen Kerbtiere sind als Erwachsene sehr effektive Jäger ihresgleichen, die auch vor wehrhaften Bienen nicht halt machen und selbst Beute überwältigen, die ihrer eigenen Größenklasse entspricht: Ufer mit vielen patrouillierenden Libellen sind also äußerst gefährliches Terrain für viele Arten, die daher entweder gleich fernbleiben oder ihrer Befruchtungsaufgabe nur unzureichend nachkommen, weil sie vorher verspeist werden.

Nun verbringt der Nachwuchs der Libellen aber einen großen Teil seiner Kindheit und Jugend im nassen Element, wo er ebenso ein gefürchteter Räuber ist, aber häufig auch zum Gejagten wird und Fischen zum Opfer fällt. Dadurch werden ihre Bestände dezimiert, verschwinden große Arten oft völlig, weniger Individuen erreichen das Erwachsenenalter und können den Luftraum über den Teichen beherrschen: Das Leben für Bienen und Schmetterlinge wird somit sicherer.

Ganz anders ist dagegen die Situation in den Fisch freien Feuchtgebieten, die deshalb von den Libellen bevorzugt aufgesucht werden. Hier ist ihr Reich, und die Forscher zählten dort bedeutend mehr Larven im Wasser und Adulte im Umkreis. Das erhöht wiederum den Jagddruck auf andere Insektenspezies, die ihresgleichen in sicherere Gebiete ausweichen und folglich ihrer Bestäubungsrolle hier nur unzureichend nachkommen. Das wiederum begünstigt Pflanzen, die auf vegetative Fortpflanzung setzen oder sich selbst bestäuben.

Blumen und Fische können sich also durchaus recht nahe stehen. Wie so oft allerdings, nimmt unsereins ebenso hier zahllos Einfluss: Denn entweder übernutzen wir die Fischbestände maßlos wie beim Lachs, dessen verrottende Körper dann den Wäldern als Kraftquell fehlen. Oder wir setzen in jeden noch so unbedeutenden Tümpel Fische ein, ohne zu wissen, dass dadurch nicht nur Libellen verdrängt werden, sondern sich selbst die Vegetation verändern kann.

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