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News: Der Fluch des Pharao

Unter all denen, die 1923 bei der Öffnung der Gruft des Tutanchamun zugegen waren, breitete sich alsbald ein ungutes Gefühl aus. Denn nach und nach raffte es die Zeugen hinweg, und die Angst vor dem "Fluch des Pharao" ging um.
Tutanchamun
George Herbert, Earl of Carnarvon, galt unter seinen Zeitgenossen eher als Weichei. Schon als Schüler glänzte er durch Abwesenheit und alberne Streiche und machte später von sich reden, als er als einer der ersten mit dem Automobil durch die Gegend fuhr. Doch nachdem er in Deutschland einen schweren Unfall erlitten hatte, vertrug er das biestige britische Klima nicht mehr und lebte fortan - dem Erbe seines Vaters sei Dank - vorwiegend im angenehmen und seinerzeit bei Abenteurern und Dandys gleichermaßen beliebten Kairo.

Kein Mensch spräche heute von Lord Carnarvon, hätte er nicht zum einen dem Archäologen Howard Carter finanziell zur Entdeckung des Tutanchamun verholfen, und wäre er zum anderen nicht kurz darauf an den Folgen eines Mückenstichs gestorben - und wäre des Lords bester Freund, seine dreibeinige Dogge nicht just im Moment des Ablebens seines Herrn gleichfalls tot umgefallen. Das alles konnte kein Zufall sein. Und so druckten die Sonderblätter schon einen Tag nach dem Tod des Lords am 5. April 1923 in fetten Lettern vom "Fluch des Pharaos".

Schließlich war Lord Carnarvon nicht der Erste. Nach und nach segneten mehrere der von ihm protegierten Forscher das Zeitliche - nicht unter sonderlich mysteriösen Umständen zwar, doch jeder Tod nährte nun das unheimliche Gerücht. Zwar war schon Carter höchstselbst seinerzeit dem Presserummel entgegengetreten, indem er Luftproben nahm, analysierte und als "absolutely sterile" befand; und auch der Direktor des Metropolitan Museum of Modern Art in New York merkte im Jahr 1934 angesichts eines im Sterben liegenden Kompagnons Carters an, dass schließlich erst sechs der 24 angeblich vom Fluch Getroffenen gestorben seien. Allein, dies tat dem Medienspektakel keinen Abbruch. Wer von den Zeugen starb, wurde sogleich zum Opfer des Pharaos.

Heute, beinahe 80 Jahre nachdem Howard Carter und 24 Mitstreiter die Mumie des Pharaonen Tutanchamun entdeckten, erscheint endlich eine wissenschaftlich fundierte, sprich statistisch untermauerte, Analyse des Phänomens. In akribischer Recherche hat Mark Nelson von der australischen Monash University neben den direkt mit der Mumie in Kontakt gewesenen Personen elf weitere Kompagnons Carters ausgemacht, die zwar an Carters Expeditionen von Februar 1923 bis November 1926 teilgenommen hatten, die aber beim Aufbruch der letzten Grabkammer, der Öffnung des Sarkophags oder der Untersuchung der Mumie nicht unmittelbar zugegen waren - und demnach also nichts zu befürchten hatten.

Nachdem Nelson die Lebensläufe beider Gruppen - derjenigen, die bis in die Gruft Tutanchamuns vorgedrungen waren und derjenigen, die nur im Umfeld der Grabungen anwesend waren - miteinander verglich, war klar: Es gibt - statistisch gesehen - keinerlei Verdacht, dass die Risikogruppe einem höheren Todesrisiko ausgesetzt war oder eine maßgeblich verringerte Lebenszeit zu erwarten hatte. Punkt, aus, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Vermutlich sei die Legende schlicht Folge der puren Sensationsgier der Menschen gewesen und womöglich von Louisa May Alcotts Kurzgeschichte Lost in a Pyramid: The Mummy's Curse inspiriert worden. Nachdem dann die Nachricht von Carters wahrlich atemberaubenden Fund der Mumie Tutanchamuns, gebettet in einen goldenen Sarkophag, um die Welt gegangen war, genügten der angeregten Phantasie eine Mücke, ein hinfälliger Lord und sein dreibeiniger Hund.

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