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News: Der fraktale Boden unter unseren Füßen

Jeden Tag versickern Flüssigkeiten in der Erde. Einige von ihnen sind gefährlich für Mensch und Umwelt. Um abzuschätzen, wie sich diese Gifte fortbewegen, machen sich Wissenschaftler eine geheimnisvolle mathematische Eigenschaft des Bodens zu Nutze: Er ist fraktal.
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Es ist ein Alptraum für Feuerwehrleute und Umweltschützer: ein umgekippter, mit Gefahrengut beladener LKW, dessen Ladung langsam aber sicher im Boden versickert. Schnelles Handeln ist jetzt erforderlich, um das Ausmaß des Schadens zu begrenzen. Dabei wäre es äußerst hilfreich zu wissen, wie schnell und wie tief das Gift in den Boden eindringt.

Eine geheimnisvolle mathematische Eigenschaft, die der Erdboden mit Schneeflocken, Küstenlinien und Bäumen gemeinsam hat, könnte dabei helfen: Er ist fraktal. Das bedeutet, die gleiche Struktur wiederholt sich in unterschiedlichen Größen. So sehen die feinen Verästelungen an der Spitze eines dünnen Zweiges denen des Hauptstammes sehr ähnlich.

Aber diese Eigenschaft ist nicht nur eine Spielerei der Natur. Klavdia Oleschko von der Universidad Nacional Autonóma de México und ihre Kollegen zeigten, dass sie tatsächlich physikalische Auswirkungen hat: Das Ausmaß seiner Zerklüftung - seine "fraktale Dimension" - gibt Aufschluss über seine Dichte, Porosität und seinen Wassergehalt. Und dadurch lässt sich bestimmen, wie Flüssigkeiten und Schadstoffe versickern oder auch, wie gut sich die Erde für Landwirtschaft eignet.

Doch wie lassen sich die fraktalen Eigenschaften des Bodens messen? Eine Möglichkeit besteht darin, aus unterschiedlichen Schichten eine Bodenprobe unter dem Mikroskop zu untersuchen. Aber das dauert im Ernstfall viel zu lange. Die Forscher schlagen dagegen eine ganz andere Methode vor: einen Mikrowellen-Radar. Denn diese Wellen - so zeigten Computersimulationen - werden in der Erde fraktal reflektiert und übernehmen dabei die Dimension der Erdschicht. Außerdem dringen sie zerstörungsfrei bis in eine Tiefe von zehn Metern vor - ein unschätzbarer Vorteil gegenüber Bodenproben.

Aber die Wissenschaftler beschränkten sich nicht nur auf theoretische Überlegungen. Sie zeigten durch direkte Messungen an einem Modellboden mit sechs unterschiedlichen Schichten, dass die Methode tatsächlich in der Praxis funktioniert: Mit Hilfe des Radars waren sie in der Lage, für jede einzelne Schicht den richtigen Wert zu bestimmen - und das viel schneller als mit herkömmlichen Methoden. "Wir konnten eine 1000 Quadratmeter große Fläche in gerade mal 30 Minuten vermessen", berichtet Oleschko. "Normalerweise ist für die Auswertung monatelange intensive Laborarbeit nötig."

Mit dem Radar ließen sich also tatsächlich schnell und einfach die wichtigsten Eigenschaften des Bodens vor Ort bestimmen - zumindest bis hin zu einer Tiefe von zehn Metern. Aber auch mit dieser Einschränkung wäre das Gerät für Umweltschützer wahrscheinlich von großem Nutzen: Im Falle eines Falles könnten sie viel besser die Gefahr, die von auslaufenden Giftstoffen ausgeht, einschätzen und geeignete Gegenmaßnahmen einleiten. Selbst wenn das nur hieße, die betroffenen Anwohner rechtzeitig vor einer Grundwasserverseuchung zu warnen.

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