Direkt zum Inhalt

News: Der Glanz der frühen Zeit

Die meisten Fossilien sehen ziemlich trist aus: Wie alte Knochen natürlich, oder dunkle Linien und Flecken in Stein verewigt. Jetzt entdeckte ein Zoologe, daß einige Fossilien winzige Furchen enthalten. Sie könnten ein Indiz sein, daß die ehemaligen Lebewesen keinesfalls eintönig aussahen. Nach den neuen Ergebnissen glitzerten sie in irisierenden Farben. Was noch bedeutender ist: Vielleicht unterstützt diese Entdeckung eine umstrittene Vorstellung, der zufolge das Auftreten von Augen einen dramatischen Evolutionsschub auslöste, der zu einer reichen Vielfalt an Tieren führte.
Ein bedeutender Hinweis darauf könnte in Burgess Shale in British Columbia liegen, dem Fundort von annähern 515 Millionen Jahre alten Fossilien. Die vorzeitliche Farbe einiger Tiere wurde anscheinend durch Beugungsgitter hervorgerufen. Die Fossilien besaßen parallel angeordnete Rückenerhebungen, deren Abstand voneinander etwa der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes entspricht. 1995 fand der Zoologe Andrew Parker vom Australian Museum in Sydney solche Beugungsgitter bei heute lebenden Krebstieren, den myodocopid ostracods. Diese erstrahlen in schillernden Farbtönen, während sie ihre Weibchen umwerben. Später bemerkte er beim Besuch der Smithsonian Institution in Washington ähnliche parallele Linien bei den rekonstruierten Organismen von Burgess Shale. Obgleich diese zu grob waren, um als Beugungsgitter zu fungieren, fragte sich der Wissenschaftler, ob sie nicht vielleicht auf feinere Gitter hindeuten.

Nach einer genauen Untersuchung mit dem Elektronenmikroskop fand Parker Spuren von Beugungsgittern auf den Stacheln und Schuppen von Wiwaxia, einem Panzertier, das sich auf schlammigem Meeresboden kriechend fortbewegte. Er entdeckte auch Gitter auf den steifen und spitzen Haaren, die an den Seiten der wurmähnlichen Canadia entlang liefen. Ferner schmücken die Gitter zwei Vorsprünge des Kopfpanzers der zu einem schwimmenden, als Marrella bezeichneten, Tier gehört. Die Fossilien selbst sind nicht so gut erhalten, daß an ihnen irgendwelche Farbspiele zu beobachten wären. Doch nach Parkers Berechnungen waren die Tiere zu ihren Lebzeiten mit einer großen Farbpalette ausgerüstet – wahrscheinlich um Raubtiere vor ihren Stacheln zu warnen (Juni-Ausgabe 1998 der Proceedings of the Royal Society London B).

Parker ist der Meinung, daß ein solches Warnsignal vielleicht eine Reaktion auf Raubtiere gewesen sei, die bereits Augen entwickelt hatten. Der Wissenschaftler glaubt, daß diese Eskalation vielleicht die erstaunliche Menge neuer Körperformen ausgelöst hat, die bei der schnellen Artenbildung am Anfang des Kambriums entstanden. "Ein Selektionsdruck dieses Ausmaßes könnte genau das Phänomen sein, welches die kambrische Explosion ausgelöst hat", erläutert Parker. "Die Tiere mußten sich dramatisch anpassen."

Die meisten Experten stimmen dahingehend überein, daß das Entstehen von Augen wahrscheinlich den Gang der Evolution verändert hat. Doch bei weitem nicht alle würden der Behauptung zustimmen, daß dies die kambrische Explosion auslöste. "Wenn auf einmal eine ganze Menge neuer, komplexer Tiere auftauchen, können die Augen sehr wohl damit in Zusammenhang stehen – aber ebenso zum Beispiel die Nieren", bemerkt James Valentine, Paläontologe an der University of California, Berkeley. "Es ist hier sehr schwer, Ursache und Wirkung auseinander zu halten." Trotzdem tragen die Erkenntnisse dazu bei, die Tiere von Burgess Shale wieder zum Leben zu erwecken, sagt Valentine. "Man denkt jetzt wirklich darüber nach, wie die Tiere durch die Gegend liefen, im Licht glitzernd und funkelnd."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.