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Evolution: Der lauteste Liebesschrei der Natur

Er ist lauter als ein Rockkonzert - und findet damit bei den Weibchen Gehör. Der Einlappenkotinga ruft ohrenbetäubend. Wie halten die Partnerinnen das aus?
Einlappenkotinga

Einlappenkotingas (Procnias albus) fallen im Regenwald Nordbrasiliens durchaus auf: Sie besitzen ein blütenweißes Gefieder, ihnen hängt ein langer Hautlappen vom Schnabel – und sie werben so ohrenbetäubend laut um Weibchen, dass sich Biologen fragen, wie diese sich in der Nähe der rufenden Männchen aufhalten können, ohne einen Gehörschaden zu erleiden. Wie Jeffrey Podos von der University of Massachusetts in St. Amherst und Mario Cohn-Haft vom Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia in Manaus gemessen haben, ist der Balzschrei des Vogels sogar der lauteste überhaupt unter Vögeln und vielleicht sogar im gesamten Tierreich. Ihre Studie veröffentlichten sie in »Current Biology«.

Bis zu 125 Dezibel erreichen manche der Liebesschreie, so die Messungen: Das entspricht in etwa dem Krach eines Kampfflugzeugs im Tiefflug und liegt über dem Schwellenwert, bei dem im menschlichen Ohr schon bei kurzfristiger Einwirkung Gehörschäden auftreten. Und die Lautstärke liegt deutlich über den Rufen des – nomen est omen – Schreikotingas (Lipaugus vociferans), der bislang als lautester Vogel galt.

Rufender Einlappenkotinga

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Video (26.1 MB)

Die beiden Wissenschaftler erstaunte, dass so kleine Vögel so einen Lärm machen können: Die Tiere wiegen nur 250 Gramm, doch stellt ihr Stimmorgan das von Brüllaffen und Bisons deutlich in den Schatten. Beide Säugetiere sind ebenfalls für auffällige Lautäußerungen bekannt. Noch mehr faszinierte Podos und Cohn-Haft allerdings, dass sich Weibchen dem freiwillig aus nächster Nähe aussetzen. »Wir beobachteten oft, dass sich Weibchen auf dem gleichen Ast niederließen wie rufende Männchen. Und genau dann stießen diese ihren lautesten Schrei aus und drehten sich dabei am stärksten – als ob sie den Schlussakkord direkt den Weibchen entgegenschmettern wollten«, beschreibt Podos das Verhalten.

Womöglich helfen den Einlappenkotingas einige anatomische Anpassungen. So verfügen sie über ungewöhnlich dicke und besonders gut entwickelte Bauchmuskeln sowie Rippen. Die Lautstärke geht jedoch auf Kosten der Ruflänge; diese nimmt mit steigender Dezibelzahl ab, wahrscheinlich weil den Vögeln dann schlichtweg die Luft ausgeht. Zukünftige Studien sollen mehr über das Verhalten der wenig erforschten Vögel herausfinden – und warum die Weibchen selbst in unmittelbarer Nähe zumindest keine offensichtlichen Schäden davontragen.

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