Sprache: Der Miesepeter in unseren Ohren
Ein schlichtes »Gut« genügt dann nicht: Wer Begeisterung vermitteln will, muss schon in höchsten Tönen loben. Eine einfache negative Wertung nehmen wir hingegen extremer wahr. Dieses Phänomen, »Negativitätsbias« genannt, haben Sprachforscher im beruflichen wie im privaten Kontext nachgewiesen. Ein Team um Christine Liebrecht von der Universität Tilburg in den Niederlanden schildert nun im »Journal of Language and Social Psychology«, wie sie die sprachliche Ungerechtigkeit auszugleichen versuchten – mit mäßigem Erfolg.
Die Kommunikationsforscherinnen legten ihren Versuchspersonen, darunter überwiegend niederländische Studierende, Wortwechsel zwischen einer Person A und einer Person B vor, zum Beispiel über einen Restaurantbesuch. Die Aussage »Das Essen war lecker« empfanden die Leserinnen und Leser als weniger »starke« Aussage als »Das Essen war schlecht«, und derselbe Effekt trat bei Eigenschaftswörtern wie »klug« im Gegensatz zu »dumm«, »»spannend« versus »langweilig« oder »schön« versus »hässlich« auf: Im Schnitt hinterließ das negative Wort einen stärkeren Eindruck.
Bei stärkeren Eigenschaftswörtern wie »wunderschön« versus »abscheulich« oder mit einem vorangestellten »sehr« vor dem Adjektiv war der unfaire Bias weniger ausgeprägt, doch im Vergleich zu den negativen wurden die positiven Wertungen weiterhin als »schwächer« empfunden. »Sehr gut« ist also immerhin in höherem Maß gut, als »schlecht« schlecht ist. Aber »sehr schlecht« stellt den Negativitätsbias zum Teil wieder her.
Im Zwischenmenschlichen sei es eben üblich, erklären die Autorinnen, dass man sich grundsätzlich positiv äußere: »Gut« ist sozusagen die Grundlinie, die Default-Einstellung. Negative Äußerungen erscheinen umso stärker, denn im sozialen Miteinander sind sie selten. Hinzu komme, dass negative Kommentare eine Warnfunktion haben, und die will der Mensch auf keinen Fall verpassen. Der Miesepeter im Ohr hat daher seine Existenzberechtigung.
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