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News: Der Mond von Minnesota

Vorbei sind die Zeiten der Romantiker. Der Astronom, der in silbriges Mondlicht gehüllt in einer klaren Nacht die Sterne beobachtet, gehört der Vergangenheit an. Der moderne Wissenschaftler verbringt seine Zeit in dunklen Laboratorien, zum Beispiel in der 700 Meter unter der Erde liegenden Soudan-Mine in Minnesota, in die bestimmt kein Quäntchen Licht mehr fällt. Der Mond ist trotzdem zu sehen, indirekt, als Schatten in der kosmischen Strahlung.
Wenn die kosmische Partikelstrahlung auf die Erdatmosphäre trifft, erzeugen Kollisionen mit Atomkernen in der Atmosphäre Myonen: Elementarteilchen mit etwa der zweihundertfachen Elektronenmasse, die aufgrund ihrer riesigen Energie meterdickes Blei passieren können wie eine Kanonenkugel Zellstoffpapier. Obgleich sie durchaus auf Detektoren Spuren hinterlassen, gehen sie durch die Spiegel herkömmlicher Teleskope glatt hindurch. Dadurch läßt sich die Richtung der Quelle nicht mehr identifizieren. Mit einem unterirdischen Detektor wird nun versucht, der bereits Anfang des Jahrhunderts entdeckten Strahlung auf den Grund zu gehen.

Der Physiker John Cobb von der Oxford University und sein Team arbeiten mit einem neuartigen Myonendetektor an dieser Aufgabe. Die Soudan-Eisenmine im US-Bundesstaat Minnesota wurde in den achtziger Jahren eigentlich für Messungen an Protonen gebaut. Heute wird der Soudan-2-Detektor als "Myonenteleskop" eingesetzt. Ein Berg schirmt den darunter liegenden Detektor wie ein Filter ab, so daß fast nichts außer den hochenergetischen Myonen der Sekundärstrahlung das Detektormaterial erreicht. Dieses ist sandwichartig angeordnet. In den durch Stahlschichten voneinander getrennten Kammern ionisieren die Myonen ein Argon-Kohlendioxid-Gemisch. Die erzeugten Elektronen werden dann in jeder Kammer an dünnen Drähten nachgewiesen, so daß ein Computer die Flugbahn anhand der angesprochenen Drähte rekonstruieren kann.

Da die Myonen der Sekundärstrahlung die Richtungsinformationen der kosmischen Primärstrahlung behalten, kann mit Hilfe von Soudan-2 endlich die Herkunft der kosmischen Partikelstrahlung – im wesentlichen Protonen und Heliumkerne – genauer untersucht werden. Als Test haben die Physiker in der Soudan-Mine bereits den Schatten des Mondes abgebildet. Immerhin fehlen im Schatten ungefähr 120 Myonen im Vergleich zu den insgesamt 33 Millionen, die über die letzten zehn Jahre detektiert worden sind, denn der im Vergleich zum interstellaren Raum massereiche Mond blockt wie ein Schirm die Primärstrahlung ab. Solange er über Minnesota sichtbar ist, wirft er einen regelrechten Schatten auf den Detektor.

Das Beispiel des Mondschattens zeigt, welche räumliche Auflösung diese Methode erreichen kann. Denn auch wenn der Mond in manchen Nächten den Himmel zu dominieren scheint, hat er tatsächlich nur einen Durchmesser von etwa einem halben Grad. Da mit dem Detektor seine Umrisse deutlich zu erkennen sind, hoffen die Wissenschaftler, bald den gesamten Himmel mit einer Winkelauflösung von weniger als einem halben Grad durchmustern zu können. Quasare oder andere potentielle Quellen starker kosmischer Strahlung sollen so analysiert werden. Wer den Himmel erkunden will, muß heutzutage eben auch mal tief in die Erde hinabsteigen.

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