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News: Der Muskel lockt die Nervenzelle

Für eine perfekte Kommunikation ist der Austausch essentiell. Damit auch die Informationsweiterleitung zwischen Nervenzellen und Muskeln gewährleistet ist, bilden sich während der Embryonalentwicklung Synapsen zwischen beiden Zelltypen aus. Wider Erwarten liegt die Verantwortung für diesen Prozess jedoch nicht alleine bei den Neuronen, die Muskeln über Chemikalien herbeilocken. Im Anfangsstadium geht die Kontaktaufnahme sogar von den Muskeln aus. Ein dreißigjähriges Dogma fällt.
Knüpfen wachsende Nervenzellen ihre ersten Kontakte im sich entwickelnden Embryo, schicken sie chemische Botenstoffe in ihre Umgebung, um feste Verbindungen einzugehen. So bilden sie auch mit Muskelzellen Partnerschaften, um diese später zu innervieren. Wie die Interaktionen zustande kommen, wussten die Wissenschaftler bis jetzt nur durch Untersuchungen eines relativ späten Emryonalstadiums bei Mäusen mit 18 Tagen. Ob sich eine Synapse entwickelt, zeigen Muskelzellen durch ein spezielles Muster von Rezeptoren für Neurotransmitter auf ihrer Oberfläche. Denn hierüber empfangen sie die neuronalen Nachrichten.

Doch ein Wissenschaftlerteam des Salk Institute for Biological Studies in La Jolla interessierte sich für jüngere Entwicklungsstadien. Den ersten Hinweis darauf, dass die Muskeln sich mehr beteiligen als angenommen, erhielten die Forscher durch Untersuchungen 14 Tage alter Mausembryonen. Hier waren noch keine Nervenzellen in Sicht, und trotzdem hatten die Muskelzellen schon das spezifische neuronale Rezeptormuster auf ihrer Oberfläche. Nun konnte man nicht ausschließen, dass die nervlichen Signale weiter reichen als gedacht und doch alles von noch versteckten Nervenzellen ausging. So entfernten das Team um Kuo-Fen Lee die Nervenzellen ganz aus der Gleichung. Genetisch veränderte Mausembryonen konnten den Nerv nicht ausbilden, der normalerweise das Zwerchfell innerviert und somit eine Kontrolle der Atmung ermöglicht. Als sie den Muskel des Zwerchfells betrachteten, war der Rezeptorbesatz völlig normal. "Dies war der erste Beweis, dass Muskeln die Bildung einer Synapse in der Abwesenheit von Nervenzellen einleiten können", sagte Lee zu seinen Beobachtungen.

Lee und seine Kollegen haben nun eine neue Hypothese über die Kontaktaufnahme zwischen beiden Zelltypen. So lockt der Muskel wachsende Nervenzellen an, die dann auf ihn zuwachsen und so den Kontakt herstellen. "Wir wissen, dass die Neuronen zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung Faktoren freisetzen, welche die Synapse ernähren und dabei helfen, sie vollständig zu entwickeln", sagt Lee. "Doch die einleitende Platzierung konnten von den Muskeln festgelegt werden."

Wichtig könnten diese Ergebnisse für Patienten sein, die an einer Verletzung des Rückenmark leiden. Um die neuronale Regeneration anzuregen, könnte es nicht genug sein, sich nur auf das Wachstum der Nervenzellen zu beschränken. Auch der Muskel braucht vielleicht Hilfe, um die korrekte Verbindung zwischen beiden Geweben wieder herzustellen und somit die volle Funktion wieder auszuüben.

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