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News: Der Nagelrochen kehrt sein Innerstes nach außen

Ein Tier kann schlecht zum Arzt gehen und sich den Magen auspumpen lassen, wenn es etwas Schlechtes gegessen hat. Es muss sich also anderweitig helfen. Der Nagelrochen tut dies, indem er im Sinne des Wortes seinen Magen ausspuckt. Wenn er sich der unbekömmlichen Nahrung entledigt hat, schluckt er ihn einfach wieder herunter. Diese natürliche aber ungewöhnliche Abwehrreaktion ist im Tierreich weiter verbreitet, als man vermuten könnte.
Nicht nur Fressen sondern auch Erbrechen gehört für viele Tiere zum normalen Lebensrhythmus. Durch diesen Schutzmechanismus befreit sich der Körper von dem Anteil der Nahrung, der für das Tier toxisch oder unverdaulich ist. Für diesen Vorgang hat der Nagelrochen (Raja clavata) einen Reflex entwickelt, der sich zuerst sehr dramatisch anhört: Er stülpt buchstäblich das Innere seines Magens nach außen und spuckt ihn dabei für eine kurze Zeit aus. Dann wirft er seinen Kopf von einer Seite auf die andere und erreicht damit eine gründliche Reinigung des Organs, bevor er es wieder herunterschluckt.

"Den genauen Mechanismus kennen wir noch nicht, aber es sind augenscheinlich mehrere muskuläre Bewegungen daran beteiligt", sagt David Sims vom Department of Zoology der University of Arberdeen. "Das Problem ist, wie man einen Schlauch umstülpt. Wenn man sich die Socken auszieht, sind sie oft von innen nach außen gekehrt. Und genau nach diesem Prinzip verfährt auch der Rochen. Dafür sind offensichtlich Muskelkontraktionen der Därme und im Rachen-Hals-Bereich verantwortlich", so Sims. Er und seine Kollegen haben in ihrem Labor einige Nagelrochen beobachtet. Sie filmten die Reaktion der Tiere auf verabreichte Brechmittel. In der Regel dauerte es zehn Minuten, dann warfen die Tiere ihre Gedärme neun Mal in vier einzelnen Salven nach außen (Nature vom April 2000).

Die gesamte Prozedur dauert nicht lange. In wenigen Sekunden hatten die Tiere erbrochen, den Magen gesäubert und wieder verschluckt. "Dieses Verhalten kann man nicht nur bei Rochen sondern auch bei Haien beobachten. Es ist also weiter verbreitet, als man allgemein vermutet", sagt Sims. Auch Frösche und Kröten entledigen sich auf diese Weise ihres ungeliebten Mageninneren. Allerdings nehmen sie ein Bein zur Hilfe, um den Magen zu reinigen, wenn er aus dem Maul heraushängt.

Indem sie Lebewesen mit ähnlichem Verhalten untersuchen, hoffen die Wissenschaftler etwas über die Evolution des autonomen Nervensystems zu erfahren. Dieser Teil des peripheren Nervensystems kontrolliert viele innere Organe und Muskeln, deren Funktionen vom Lebewesen selbst nicht beeinflussbar, sondern eher reflexartig sind.

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