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Placebo und Nocebo: Negative Erwartungen sind doppelt so stark wie positive

Sorgen und Ängste steigern Schmerzen deutlich mehr, als Hoffnung und positive Annahmen sie verringern. Wie Ärztinnen und Ärzte kommunizieren, ist daher für den Therapieerfolg entscheidend.
Zwei Personen sitzen in einem hellen Raum. Die Person links hält einen Stift und ein Klemmbrett, während die Person rechts die Hände gefaltet hat. Beide tragen weiße Hemden. Die Szene deutet auf ein Gespräch oder eine Beratung hin. Im Hintergrund sind verschwommene Möbel zu sehen.
Wie über eine Therapie informiert wird, ist entscheidend für ihren Erfolg.

Befürchtungen wiegen schwerer als Hoffnungen. So lässt sich die zentrale Erkenntnis einer Studie von der Universität Duisburg-Essen zusammenfassen. Ein Team des Sonderforschungsbereichs Treatment Expectation um die Neurologin Ulrike Bingel manipulierte in einem Experiment mit mehr als 100 Personen gezielt die Erwartungen an einen Hitzereiz am Unterarm und an eine vermeintlich schmerzlindernde oder aber den Schmerz verstärkende Stimulation. Diese Scheinbehandlung erfolgte durch ein transkutanes elektrisches Nervenstimulationsgerät (TENS).

Der Placeboeffekt ist weithin bekannt: Allein positive Erwartungen können Symptome bereits lindern. Der gegenteilige Noceboeffekt ist ebenfalls gut dokumentiert: Die Annahme, eine Therapie werde ohnehin nicht helfen oder unangenehme Nebenwirkungen mit sich bringen, kann den Erfolg einer eigentlich effektiven Behandlung schmälern oder ihn sogar zunichtemachen. Die Wissenschaftler stellten sich nun die Frage: Welcher der beiden Effekte ist stärker?

Nocebo schlägt Placebo

Das Ergebnis: Sowohl Placebo- als auch Noceboeffekte waren stark und ließen sich auch noch eine Woche nach dem eigentlichen Experiment feststellen. Doch negative Erwartungen verstärkten Schmerzen deutlich stärker, als positive Erwartungen sie linderten. Obwohl der herbeigeführte Hitzereiz in der Testphase immer gleich war, stieg der empfundene Schmerz (auf einer Skala von 0 bis 100) bei einer negativen Erwartung um durchschnittlich elf Punkte an, während eine positive Annahme ihn lediglich um rund vier Punkte reduzierte. Auch eine Woche später wirkte eine Befürchtung noch etwa doppelt so stark wie die Hoffnung.

»Menschen neigen offenbar dazu, eher mit dem Schlimmsten zu rechnen  – und das schlägt sich auch in der Schmerzverarbeitung nieder«, erklärt Ulrike Bingel in einer Pressemitteilung. Evolutionsbiologisch erscheint das sinnvoll, denn so ist man besser auf potenzielle Bedrohungen eingestellt. Für den Erfolg einer medizinischen Behandlung ist das allerdings hinderlich. Die Befunde verdeutlichen, wie wirkmächtig der Placebo- und der Noceboeffekt sind – und wie sehr Informationen über eine Therapie die Erwartungen der Patientinnen und Patienten lenken.

Auf die Kommunikation kommt es an

Eine gute Kommunikation ist daher entscheidend. Behandelnde sollten im Gespräch mit ihren Patientinnen und Patienten nicht nur die Hoffnung auf den Erfolg einer Therapie fördern. Noch wichtiger könnte sein, diesbezügliche Sorgen und Ängste abzubauen. »Positive Formulierungen, die Vermeidung einer unnötigen Betonung von Nebenwirkungen und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung können das Risiko von Nocebo-Reaktionen verringern«, betont Ulrike Bingel.

  • Quellen
eLife 10.7554/eLife.105753.1, 2025

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