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Teilchenphysik: Der schnellste Wirbel des Universums?

Den schnellsten bisher gemessenen Wirbel erzeugten Physiker in einem Teilchenbeschleuniger. Die Flüssigkeit ist dabei ein Plasma aus fundamentalen Teilchen: Quarks und Gluonen.
Wirbel

Den schnellsten bisher gemessenen Wirbel erzeugten Physiker am Teilchenbeschleuniger des Brookhaven National Laboratory in den USA in einem Quark-Gluon-Plasma. Mit zehn Trilliarden Umdrehungen pro Sekunde rotiert der durch die Kollision zweier Goldionen entstandene Feuerball aus subatomaren Teilchen. Wie die Wissenschaftler der STAR Kollaboration in ihrer Veröffentlichung in "Nature" berichten, ist das die schnellste bisher gemessene Rotation. Ein Tornado in einer Gewitterzelle rotiert mit etwa einer Umdrehung pro zehn Sekunden, und das zuvor am schnellsten wirbelnde Material – suprafluide Nanotröpfchen – erreicht 10 Millionen Umdrehungen pro Sekunde.

Ein Quark-Gluon-Plasma ist ein Zustand extrem heißer und dichter Materie, 100 0000-mal heißer als das Innere der Sonne. Die Protonen und Neutronen in den Goldionen stoßen mit 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zusammen, verschmelzen und lösen sich in ihre Grundbausteine auf. Es entsteht eine Flüssigkeit aus den fundamentalen Bausteinen der Materie: aus freien Quarks und Gluonen. Da die Goldionen meist nicht zentral aufeinandertreffen, bilden sich in dieser ungewöhnlichen Flüssigkeit Wirbel. Diese werden kaum abgeschwächt, da das Quark-Gluon-Plasma fast keinen Fließwiderstand besitzt.

Um die Umdrehungsgeschwindigkeit eines Quark-Gluon-Plasmas zu bestimmen, machen sich die Wissenschaftler eine quantenmechanische Größe zu Nutze: Materie besitzt neben Masse und Ladung eine weitere intrinsische Eigenschaft, den Spin. Da der Spin eines freien Teilchens beliebig ausgerichtet sein kann, ist der Gesamtspin vieler freier Teilchen im Mittel null – sie sind nicht polarisiert. Bei rotierenden Teilchen aber richtet sich der Spin abhängig von der Drehrichtung aus. Wenn das Quark-Gluon-Plasma also rotiert, sind die Teilchen abhängig vom Drehsinn polarisiert – umso mehr, je schneller sich der Wirbel dreht.

Um zu bestimmen, in welche Richtung das Plasma rotiert, detektierten die Wissenschaftler die Ablenkung der nach der Kollision entstandenen Teilchen von ihrer ursprünglichen Ausbreitungsrichtung: Je stärker sie von ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt werden, desto stärker versetzte sie der Zusammenstoß in Rotation. Das Ausmaß der Polarisation wiederum, die Aufschluss über die Drehgeschwindigkeit gibt, erschlossen die Physiker anhand von so genannten Hyperonen, die aus dem Quark-Gluon-Plasma entstanden. Diese haben eine sehr kurze Lebensdauer und zerfallen in ein Proton und ein Pion. Die Flugbahn des Protons hängt von jener der Polarisation des Hyperons ab. Ein gasgefüllter Detektor, der den Teilchenbeschleuniger umgab, verzeichnete die Bahn der entstandenen Teilchen. Die Wissenschaftler maßen einen hohen Überschuss an polarisierten Hyperonen und schlossen so auf den schnellsten bisher gemessenen Wirbel.

Forscher untersuchen diese extreme Flüssigkeit, um besser zu verstehen, wie sich das Universum entwickelte und wie sich Materie zusammensetzt: Mikrosekunden nach dem Urknall bestand der ganze Kosmos mutmaßlich aus einem Quark-Gluon-Plasma. Durch die experimentellen Ergebnisse könnten Wissenschaftler ihre theoretischen Modelle weiter verbessern und mehr über die starke Kernkraft erfahren – die stärkste und am wenigsten verstandene aller vier fundamentalen Kräfte.

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